Für Bürgerbeteiligung übers Wasser gehen
Zum 1. Juli startet das Experimentallabor „AnthropoScenes”
Wissenstransfer, Austausch auf Augenhöhe, demokratische Teilhabe: Moderne Wissenschaft will Erkenntnisse nicht nur kommunizieren, sondern auch niederschwellig diskutieren. Impulse aus der Bevölkerung sollen dabei in die Forschung einfließen. Mit der Einrichtung sogenannter Experimentallabore zur Wissenschaftskommunikation hat die Berlin University Alliance kürzlich einem Projekt mit Adlershofer Beteiligung den Zuschlag erteilt. „AnthropoScenes“, das im Juli die Arbeit aufnimmt, wird sich theatraler Formate bedienen, um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. Koordiniert vom Theater des Anthropozäns und dem Integrative Research Institute on Transformations of Human-Environment Systems (IRI THESys) rückt das transdisziplinäre Projekt das Thema Wasser ins Zentrum.
In Brandenburg ist das Wasser knapper als anderswo in Europa – und auch deshalb wird hier seit Jahren intensiv zu Wasserkreisläufen geforscht. Doch nicht nur Forschende blicken in diesen Breiten bang auf Trockenheit und Extremwettereignisse: „Ob Waldbrände, plötzliche Sturzregen oder Überschwemmungen – für die Bevölkerung in Berlin und Brandenburg sind die Folgen des Klimawandels schon heute deutlich spürbar“, sagt Jörg Niewöhner, Sprecher von AnthropoScenes und leitender Direktor des IRI THESys an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Im Gegensatz zu den häufig sehr abstrakten Themen, die in der Wissenschaft verhandelt werden, ist hier direkte Betroffenheit gegeben: Man versteht unmittelbar, warum das ein relevantes Thema für die Forschung ist. Darum eignet es sich, um partizipativ mit Menschen dazu zu arbeiten.“ In den kommenden drei Jahren wollen Niewöhner und seine Mitstreitenden sich daher auf Forschungsergebnisse rund um das Wasser konzentrieren und im Schulterschluss mit der Öffentlichkeit erkunden, wie es sich unter den regionalen Extrembedingungen leben lässt.
Inhalte zuliefern sollen Wasserforschende aus der Region, darunter auch Geografen aus Adlershof. Kunstschaffende vom Theater des Anthropozän entwickeln daraus Bühnenaufführungen. Wenn das Budget es zulässt, will das AnthropoScenes-Team sein Theater zudem mit einem Bus auf Reisen durch Brandenburg schicken. „Zentral ist, dass es sich um einen offenen Prozess handelt“, so Niewöhner. Das bedeutet, dass die wissenschaftlichen Inhalte mit dem Publikum diskutiert werden und die Ergebnisse der Diskussion wieder in die Darbietungen, aber auch in die Forschung selbst einfließen. Zum Abschluss wird das Team seine Erkenntnisse zusammentragen und in ein Spiele-Show-Format einfließen lassen, das 2024 im Humboldt Labor einer internationalen Öffentlichkeit präsentiert werden soll.
„Wir wollen Formate kreieren, die Menschen mehr Möglichkeiten geben, sich in Forschung einzubringen“, betont Jörg Niewöhner. Öffentlichkeit müsse frühzeitiger und intensiver in wissenschaftliche Prozesse eingebunden werden, als das bislang der Fall sei. Zudem sei es wichtig, mit Wissenschaftskommunikation nicht immer nur den sprichwörtlichen pensionierten Oberstudienrat zu erreichen. Mithilfe der hier zu entwickelnden theatralen Methoden hofft das Projektteam, den Grundstein für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Berlin University Alliance und Bevölkerung legen zu können. „Es kommen massive gesellschaftliche Umwälzungen wie der Green Deal auf uns zu. Diese sozialökologischen Transformationen müssen Wissenschaft und Gesellschaft gemeinsam angehen. Mit AnthropoScenes hoffen wir, diesen Austausch zu unterstützen und voranzutreiben.“
Von Nora Lessing für Adlershof Journal