Forschungsteam der HU an erstmaliger Beobachtung von Neutrinos beteiligt
Am LHC-Teilchenbeschleuniger in Genf konnten Physiker:innen die Wechselwirkung von Neutrinos in einem Energiebereich studieren, der bisher nicht zugänglich war
Physiker:innen an der HU arbeiten seit 2008 im Rahmen einer internationalen Kollaboration am ATLAS-Experiment, das am Large Hadron Collider (LHC), einem Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf, aufgebaut ist. Innerhalb des ATLAS-Experiments werden pro Sekunde etwa zwei Milliarden Protonpaare zur Kollision gebracht, um das Higgs-Teilchen detailliert zu studieren. Auf diesem Weg wird nach neuen Phänomenen gesucht, die Antworten auf Fragen geben könnten, die im sogenannten Standardmodell der Elementarteilchenphysik nicht beantwortet werden können. In diesen Protonkollisionen wird zudem eine enorme Zahl von Neutrinos erzeugt, die mit dem ATLAS-Detektor jedoch nur sehr selten in Wechselwirkung treten und damit in der Regel unbeobachtet bleiben.
Im Jahr 2020 ein neues Experiment vorgeschlagen, das im Frühjahr 2021 genehmigt und in 480 m Entfernung zum Protonwechselwirkungspunkt des ATLAS-Experiments installiert wurde. Der sogenannte Scattering-and-Neutrino Detector (SND@LHC) wurde dafür in unmittelbarer Nähe des LHC-Tunnels platziert, weil der Neutrinofluss aus den Protonpaarkollisionen in dieser Richtung besonders groß ist. In diesem Bereich erreichen die Neutrinos Energien, die in keinem anderen Beschleuniger als dem LHC erzeugt werden können. Mit den Daten, die während des Jahres 2022 aufgezeichnet wurden, konnten die Physikerinnen und Physiker der SND@LHC-Kollaboration nun zum ersten Mal Neutrinos aus den Protonkollisionen am LHC nachweisen. Zeitgleich wurde von einem zweiten Experiment, FASERnu, das in entgegengesetzter Richtung zum SND@LHC-Detektor aufgebaut wurde, die Beobachtung von Neutrinos aus den Protonpaarkollisionen des ATLAS-Wechselwirkungspunktes bekanntgegeben. Damit eröffnet sich zum ersten Mal die Möglichkeit, die Wechselwirkung von Neutrinos in einem Energiebereich zu studieren, der bisher nicht zugänglich war.
Dies erlaubt zum einen weitere Tests des Standardmodells der Elementarteilchenphysik und die innere Struktur des Protons genauer zu verstehen, aber auch die Suche nach neuen Teilchen, die im Standardmodell der Elementarteilchenphysik nicht vorkommen, sowie ein besseres Verständnis des Neutrinoflusses aus der kosmischen Höhenstrahlung.
Die an der internationalen SND@LHC-Kollaboration beteiligten Physikerinnen und Physiker kommen aus 26 Instituten in 13 Ländern. Von der HU ist die Arbeitsgruppe Experimentelle Elementarteilchenphysik 2 beteiligt, die maßgeblich zum Bau des Myondetektors beigetragen hat. Mit diesem werden Myonen und hadronische Schauer, die durch die Wechselwirkung der durch SND@LHC beobachteten Myonneutrinos entstehen, nachgewiesen. Seit Anfang 2023 werden die Forschung der HU am SND@LHC-Experiment durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Weitere Informationen
- Meldung: New LHC experiments enter uncharted territory
- SND@LHC: The Scattering and Neutrino Detector at the LHC (PDF)
Kontakt:
Prof. Dr. Heiko Lacker
Institut für Physik
Humboldt-Universität zu Berlin
Tel.: 030 2093-7817
lacker(at)physik.hu-berlin.de
www.physik.hu-berlin.de/de/eephys/sndlhc/sndlhc
Pressemitteilung HU vom 3. April 2023