Gewachsene Urbanität
Durch den Zuzug von Gewerbebetrieben und Dienstleistern wächst Adlershof allmählich zur Stadt
Die Berliner Konditorei Engelmann ist nicht nur wegen ihrer exorbitanten Kuchen und Torten bekannt, sondern auch wegen ihres originellen Besitzers: Michael Engelmann ist Konditor und studierter Pantomime – ein Clown. Seit Herbst 2016 residiert die neue Konditorei Engelmann in der Walther-Huth-Straße, mit modernen Produktionsräumen und einem Café, von dem aus Gäste direkt in die Showbackstube blicken können. Die Kinder der benachbarten Kindertagesstätte Melli-Beese-Haus hätten es wohl kaum besser treffen können, und auch die Spaziergänger vom Landschaftspark werden sich über diese neue Möglichkeit zum Einkehren freuen.
Der Neubau der Konditorei auf knapp 2.000 Quadratmeter Fläche ist nur eines von zahlreichen Gewerbeprojekten, die den Standort Adlershof mit Leben erfüllen. Im Quartier lassen sich neben den Unternehmen, Instituten und Hochschulen immer mehr Dienstleister nieder, mit einem weiten Spektrum an Angeboten – von der Kulinarik bis zur Gesundheitsversorgung. Das ist so gewollt: „Wenn wir von der Wissenschaftsstadt Adlershof sprechen, dann ist der Begriff Stadt bewusst gewählt“, erläutert Ute Hübener, die bei der Adlershof Projekt GmbH die landeseigenen Flächen vermarktet. „Wir wollen, dass hier eine gesunde Mischung aus Arbeiten, Wohnen, Lebensqualität entsteht.“
Das scheint zu funktionieren. Jedenfalls nimmt die Dynamik zu, an der Rudower Chaussee mit ihren Hotels, Cafés und Restaurants weht bereits urbanes Flair. Zu den 16.800 Beschäftigten kommen immer mehr Menschen und Familien nach Adlershof, die hier dauerhaft leben wollen. Sie schätzen die Nähe zur Arbeitsstelle, die gute Verkehrsverbindung in die Stadt oder die Idylle des Landschaftsparks Johannisthal, der einst das Flugfeld des ersten Motorflugplatzes Berlins war. Kaum überraschend, dass die Grundstückspreise denen in der Innenstadt nachfolgen und steigen.
Das wissen auch die Architekten und Ingenieure von kba, die in Adlershof das Wohnhaus „Charlotte am Campus“ und den Neubau für die „Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik“ entworfen haben. Sie möchten einen Standort im Zentrum des Quartiers und errichten deshalb an der Wagner-Régeny-Straße einen dreigeschossigen Neubau für ihre 50 Mitarbeiter. Um die Ecke, an der Pfarrer-Goosmann-Straße, baut der Physiotherapeut und Unternehmer Jörg Tauchel ein neues Therapiezentrum, mit fünf Geschossen auf einem Grundstück von knapp 1.500 Quadratmetern. Das Gebäude soll das Reha-Zentrum an der Albert-Einstein-Straße ergänzen, das er vor zehn Jahren eröffnet hat – eine Anlaufstelle für alle, die Rehabilitation, Training oder Therapie benötigen.
Zugleich hält der Zuzug von Unternehmen aus den „klassischen“ Bereichen Wissenschaft, Technologie und Medien an: Nahe der Konditorei Engelmann baut MSW Displays, eine Firma für Displaygestaltung, Druckerzeugnisse und Messebau, ein Gebäude mit Werkstatt und Verwaltung für zehn Mitarbeiter. Und am Groß-Berliner Damm hat sich EBK Krüger gleich 10.000 Quadratmeter Fläche gesichert. Der spezialisierte Hersteller elektromechanischer Komponenten baut eine Produktionsstätte für 50 Mitarbeiter.
Neben den kba-Architekten in der Wagner-Régeny-Straße nehmen demnächst weitere Technologieunternehmen ihre Arbeit auf: 25 Ingenieure und Experten tüfteln bei WINDnovation an innovativen Rotorblättern für Windkraftwerke. Nebenan widmet sich das Zentrum eingebetteter Systeme ZeSys der Hard- und Softwareprüfung im industriellen Bereich. Das Institut bezieht auf einer Grundfläche von rund 1.000 Quadratmetern Büro- und Laborräume für 22 Mitarbeiter auf drei Etagen. Und da alle diese Unternehmen auch qualifiziertes Personal benötigen, bildet die Ansiedlung des Personaldienstleisters VISSIO eine perfekte Ergänzung.
Ebenfalls zur neuen Nachbarschaft gehört ein ehemaliges Start-up: Das Unternehmen Enasys, das sich auf Energie- und Automatisierungstechnik spezialisiert hat, errichtet derzeit auf 3.000 Quadratmetern Fläche ein Produktions- und Verwaltungsgebäude für 20 Mitarbeiter.
von Mirko Heinemann für Adlershof Special