Gut organisiert zum Erfolg: Termindruck versus Muße
Sind Termindruck und Stress die wahren Treiber für erfolgreiche Geschäfte und geniale Ideen? Ein Adlershofer Jungunternehmer und ein Wissenschaftler haben einschlägige Erfahrungen gesammelt. Ihnen ist klar geworden, dass in der Ruhe nicht unbedingt die Kraft liegt, etwas Druck durchaus beflügelt, zu viel Hektik aber schadet.
Erfolgreicher Unternehmerblitzstart
Es ging so schnell, dass Außenstehende nur große Augen machen können. Kaum hatte Martin Regehly an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) in Physik promoviert, gründete der heute 32-Jährige in Adlershof die greateyes GmbH. Das Unternehmen stellt hochauflösende digitale Spezialkameras her.
Das erste Modell hat Regehly noch an der Uni mithilfe eines Exist-Gründerstipendiums entwickelt. Das Gerät fand gleich einen Käufer, womit das Startkapital für seine Firma verdient war. Die Kameras sind das Herzstück von Spektrometern, mit denen unter anderem Fehler in Solarzellen aufgespürt werden. Das jüngste Modell des „Photolumineszenz-Inspektionssystems“ arbeitet mit energiesparenden Hochleistungsleuchtdioden statt mit einer Laseroptik. Dafür wurde greateyes 2010 mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet.
Balance zwischen Arbeit und Freizeit finden
Regehlys Leben verläuft, so scheint es, im Schnelldurchlauf. Wie bekommt man so viel in so wenig Zeit organisiert? „Anfangs waren wir zu zweit, da hat jeder alles gemacht – von der Akquisition bis zur Produktionsplanung.“ Es ist nicht so, dass die Zehnstundentage plus Wochenendpräsenz in der Firma spurlos an dem gebürtigen Köpenicker vorübergegangen wären: „Mein Körper hat sich gemeldet, ich wurde öfter krank als sonst und fühlte mich ab und an ausgepowert“, erzählt er. Doch jetzt hat die junge Firma sieben Mitarbeiter, auf deren Schultern sich die Aufgaben verteilen. Regehly kümmert sich vor allem um das Marketing und die Entwicklung. Er legt einmal wöchentlich gemeinsam mit dem Team fest, wer was bis wann erledigt haben muss. Natürlich setzt sich Regehly selbst Prioritäten, strukturiert seinen Arbeitstag, der nun in der Regel acht Stunden dauert – und wofür nur in Ausnahmefällen das Wochenende herhalten muss. Als Ausgleich spielt er zweimal die Woche Volleyball und taucht in die Kulturszene der Stadt ein. „Das ist als Gegengewicht zur Arbeit enorm wichtig“, sagt er. Allein den Kopf nach Feierabend frei von Beruflichem zu halten, gelingt ihm mal besser, mal schlechter.
Aber muss ein Unternehmer wirklich unter Strom stehen, um volle Leistung zu bringen? „Stress finde ich nicht unbedingt notwendig und halte ihn auch nicht für einen Innovationstreiber“, sagt Regehly. Wichtiger sei, die Arbeit gut zu organisieren. Aber bitte nicht zu detailliert: „Ein völlig durchstrukturierter Tag wäre nichts für mich, da würde ich mich wie eine Maschine fühlen“, sagt der Chef von greateyes. Für eine Tasse Kakao in der Cafeteria muss zwischendurch schon Zeit sein.
Zeiten für das „schöpferische“ Arbeiten reserviert
Mit Fritz Henneberger, HU-Professor für Experimentelle Physik und Photonikexperte, einen Termin zu vereinbaren, ist nicht ganz einfach. Der Forscher rotiert. Mit dem Begriff Zeitmanagement kann er nicht viel anfangen. Er weiß auch so, was zu tun ist, um das Maximale aus dem Tag zu holen: „Ich versuche am Vormittag und am späteren Nachmittag zusammenhängende Zeiten für das ‚schöpferische’ Arbeiten freizuhalten.“
Ab und an gönnt er sich ein Freisemester, was allerdings wenig mit süßem Nichtstun gemein hat. Dann pilgert er als Gastprofessor durch die Welt, mal an die University of Arizona, dann an die Kyoto University und kürzlich an die Korea University. „Das ist gut, um aus dem alltäglichen Unitrott rauszukommen und durch das Leben in einem anderen Kulturkreis den Kopf freizubekommen“, sagt der Physiker. Nebenbei entwickelt er mit den ausländischen Kollegen neue Ideen. „Hat jedes Mal bestens geklappt“, lacht Henneberger.
Und im Alltag: braucht der Forscher Stress und Druck als Treiber? „Sowohl als auch – für die Entwicklung neuer Ideen und Konzepte ist Ruhe erforderlich. Beim Abschluss der Arbeiten ist Druck, durch einen Vortragstermin oder durch eine Deadline bei Publikationen und Patenten, oftmals hilfreich.“ So ganz ohne scheint es eben nicht zu gehen.
von Chris Löwer