Hitzschlag für Hirntumoren
Nanotechnologie für die Krebsbekämpfung
Die Magforce AG bekämpft Krebs mit Nanotechnologie. Bei ihrem EU-weit zugelassenen Verfahren werden Eisenoxid-Partikel direkt in Tumore injiziert und im Wechselmagnetfeld auf bis zu 70 °C erhitzt. Die Tumorzellen sterben oder werden massiv geschwächt. Anfang Dezember ist das Unternehmen ins Zentrum für Mikrosysteme & Materialien eingezogen.
Die Diagnose „Glioblastom“ kommt einem Todesurteil gleich. Für 97 Prozent der Erkrankten führen die aggressiven Gehirntumoren binnen fünf Jahren zum Tod. Magforce will diese deprimierende Statistik der Weltgesundheitsorganisation so schnell wie möglich ändern.
100 Milliarden supermagnetische Nanopartikel
Dafür bekämpfen die Neu-Adlershofer, die im Dezember ins Zentrum für Mikrosysteme und Materialien (ZMM) eingezogen sind, bösartige Geschwüre von innen. Den Patienten werden einige Milliliter flüssige Substanz direkt in die Tumoren injiziert, in denen an die 100 Milliarden supermagnetische Nanopartikel gelöst sind. Ärzte können die Injektion mit einer von Magforce entwickelten 3-D-Software planen und sich durch diese lenken lassen.
Danach folgen über drei Wochen verteilt mehrere einstündige Behandlungen in einem ebenfalls von Magforce entwickelten Magnetfeld-Applikator. Der erzeugt ein niederfrequentes Wechselmagnetfeld, das seine Polarität 100.000 Mal pro Sekunde wechselt. Die injizierten Eisenoxidpartikel geraten in Schwingung und heizen das Tumorgewebe auf bis zu 70° C. Das Gros der bösartigen Zellen stirbt dabei ab. Um gesundes Gewebe zu schonen, steigt die Temperatur im äußeren Tumor auf maximal 41° C. Auch das setzt den dortigen Zellen so zu, dass ihre Reparaturenzyme Schaden nehmen. Strahlen- oder Chemotherapie geben ihnen anschließend den Rest.
Was im Prinzip einfach klingt, ist Ergebnis von über 20 Jahren Forschung des mittlerweile aus dem operativen Geschäft ausgestiegenen Gründers Andreas Jordan. Eine zentrale Herausforderung war es dabei, unkontrollierte Wanderung der Nanopartikel zu unterbinden. Dafür sind die Eisenoxidkerne mit Aminosilanen beschichtet. Das hat zweierlei Effekt: Einerseits mögen die Tumorzellen diese Beschichtung und verleiben sie sich samt der eisernen Fracht ein. Andererseits tendiert die Silane im Tumor zur Verklumpung, was ihre Beweglichkeit hemmt.
Hochwirksam, sicher, europaweit zugelassen
In klinischen Studien an austherapierten Patienten konnte das 1997 gegründete Unternehmen nachweisen, dass sein Verfahren hochwirksam und sicher ist. Seit 2010 ist es europaweit zugelassen. Doch der erhoffte Vermarktungserfolg blieb aus. Zügiger Personalaufbau in Erwartung guter Geschäfte brachte Magforce an den Rand der Pleite. Inzwischen ist das Ruder herumgerissen. Gerade erst hat die AG eine weitere Finanzierungsrunde zur Festigung ihrer Kapitalbasis beschlossen. Und die neue, weltweit bestens vernetzte Chefin Prof. Hoda Tawfik, die im letzten Herbst das Ruder übernahm, knüpft derzeit Kontakte zu Onkologen in aller Welt, um das Verfahren über Forschungskooperationen bekannter zu machen und Vorbehalte in der Ärzteschaft abzubauen.
Die Berliner Charité-Universitätsmedizin hat bereits ein NanoTherm® Therapie-Zentrum eingerichtet. Magforce hat Verträge mit Vertriebspartnern in Russland, der Türkei, Albanien, Aserbaidschan und im Irak geschlossen. Und sie erforscht mit einer US-Klinik die Wirksamkeit bei Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs – auch um die US-Zulassung vorzubereiten. Zusätzlich ist eine freiwillige zweite klinische Studie in Vorbereitung, die von der Planung an führende Experten aus Neurochirurgie, -onkologie und Strahlentherapie einbezieht. Sie soll die Fachwelt überzeugen, dass der Nano-Hitzschlag Glioblastomen und anderen aggressiven Tumoren den Schrecken nehmen kann.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal
Link: www.magforce.de