In der Schatzkammer der Kostüme und Requisiten
Der Adlershofer Fundus sorgt für authentische Filmausstattungen
Der Adlershofer Fundus ist eine Institution der Berliner Fernsehlandschaft: sowohl ein Stück Kulturgeschichte als auch Anlaufpunkt für Filmschaffende in Berlin. Namhafte Filme wurden und werden von hier ausgestattet. Kürzlich war sogar Daniel Brühl hier. Dabei stand der Fundus vor einem Jahr kurz vor der Versteigerung und war geschlossen. Jetzt läuft er wieder.
Ein paar blaue Hinweisschilder, einmal links, dann rechts um die Ecke, Treppe runter, führen zum Adlershofer Fundus in der Ernst-Augustin-Straße 7. Das Gebäude, ursprünglich angeschlossen an die alten Studios des Deutschen Fernsehfunks war das sogenannte Produktionshaus „P1/P2“ des DDR-Fernsehens. Der Platz für Handwerks- und Reparaturarbeiten von der Kostümwerkstatt bis zur Tischlerei. Laderampe und Lastenaufzug – für die Infrastruktur vom Fernsehen war von Beginn an gesorgt. Im Keller befand sich seit 1952 der Fundus, der Ort, an dem Kostüme und Requisiten auf ihren Einsatz warten. Auf 3.500 Quadratmetern offenbart sich hier ein Stück Filmgeschichte. Vom 1950er-Jahre-Fernseher bis zur Zahnbürste aus den 1920er Jahren – bis ins kleinste Detail können Filmemacher alle Epochen und gesellschaftlichen Schichten lebendig werden lassen. Alte Zeitschriften, West wie Ost, alte Telefonbücher, Fotos und Dokumentationen sind ein gutes Nachschlagewerk und fast wie eine Bibliothek. Das Wissen, was wie zusammenpasst, hat Anne Becker.
Beim Fernsehen, erklärt Becker, gehören Stilkunde und historische Genauigkeit zu den Grundlagen. Zum Beispiel wie bei der Verfilmung des Erich-Kästner-Romans „Fabian“, die Anfang der 1930er Jahre in Berlin spielt. Die Crew dieser Produktion und Anne Becker begaben sich im Fundus gemeinsam auf Spuren- und Requisitensuche für eine Szene am Telefon. Im Raum stand die Frage: Wie oft musste damals die Wählscheibe für ein Telefonat gedreht werden? Becker schmunzelt: „Wir haben einfach im Telefonbuch dieser Zeit nachgeschaut. Und tatsächlich! Es gab damals schon eine Direktwahl, bestehend aus zwei Buchstaben und vier Zahlen.“
Anne Becker kennt den Adlershofer Medienstandort schon sehr lange. Hier, wo zu DDR-Zeiten 8.000 Beschäftigte beim DDR-Fernsehen tätig waren, hat sie die Anforderungen an den Beruf Kostümbildnerin erlernt. Nach Abschaltung des DDR-Fernsehbetriebs arbeitete sie in der Öffentlichkeitsarbeit und kam zufällig wieder mit ihrem alten Arbeitsplatz in Berührung. Die Stoffe, die Schätze dieses Fundus haben sie sofort wieder in den Bann gezogen. Als der Fundus 2018 versteigert werden sollte, setzte sie sich vehement für seinen Erhalt ein.
Der Eigentümer der Immobilie, Michael Probstel, Geschäftsführer der am Standort ansässigen NAVIGO Capital GmbH, ermöglichte es, dass der Fundus erhalten werden konnte. Becker unterstützt dieses Anliegen als kommissarische Fundusleiterin. Gleich nach der Wiedereröffnung stattete sie „Leander Haußmanns Stasikomödie“, die dieses Jahr in die Kinos kommen soll, aus. Auch Leander Haußmanns Filme „Sonnenallee“ und „NVA“ waren vom Adlershofer Fundus ausgestattet worden. Bekannte Namen wie diese halfen, den Eigentümer davon zu überzeugen, dass der Adlershofer Fundus eine Zukunft hat. „Die Branche hat aufgeatmet, als der Fundus wieder aufgemacht hat“, freut sich die Kostümbildnerin.
Hier gibt es einfach (fast) alles: Geschirr aller Epochen, Stifte, Kreide, Notizblöcke, Teppiche, Betten, Lampen, Radios, Telefone, Mülltonnen, selbst original Butterverpackungen aus Styropor. „Keine Nachbildung. Das ist echt“, zeigt Anne Becker. Und natürlich Kostüme über Kostüme. Anfragen erhält Anne Becker auch von Museen und Forschungseinrichtungen. Kürzlich hat sich Anne Becker wegen einer Anfrage vom Zeithistorischen Forum Leipzig auf die Suche begeben und tatsächlich den Anzug von Schauspieler Peter Borgelt gefunden, den er als Kriminalhauptkommissar Fuchs 1990 in der Sendereihe des DDR-„Polizeiruf 110“ getragen hat.
Daniel Brühl war sogar persönlich im Fundus. Der Kinospielfilm „Nebenan“ unter seiner Regie wird gerade produziert. Für die Auswahl von Kostümen und Requisiten kommen sonst immer nur die Ausstatter/-innen und Kostümbildner/-innen der Filmcrew im Fundus vorbei und lassen sich inspirieren. Eine lange Liste von Filmen findet sich auf www.crew-united.com.
Beckers Fazit ein Jahr nach der Wiedereröffnung: „Die Branche ist glücklich und der Fundus läuft.“ Nicht nur das: Der Fundus ist auch ein wichtiger Unterstützer und Förderer kultureller und künstlerischer Projekte. Studierende der Ausstattungsbranche und junge Fernsehschaffende können sich hier inspirieren lassen, ausprobieren, informieren und vom Know-how ihrer Vorgänger profitieren. Anne Becker wünscht sich, dass der Adlershofer Fundus seinen Platz in der Ausstattungsbranche verteidigen kann. Und sie wünscht sich mehr öffentliche Anerkennung für die Geschichte dieses Ortes mitten in Adlershof.
Von Jördis Götz für Adlershof Journal