Kreative Programmierschule für Kids und Jugendliche
Das mehrfach ausgezeichnete Start-up codary füllt eine Lücke in der digitalen Bildung
Ein Manko am eigenen Leib spüren, das Defizit überwinden, die Lücke füllen. Und Konsequenzen ziehen, also Anderen zu einem besseren Start verhelfen, so dass erst gar keine Lücke entsteht. Schließlich Wege aufzeigen, die für Erfolge in Studium und Beruf entscheidend sind. So könnte man die Motivation des dreiköpfigen Teams beschreiben, das im Oktober 2020 das Start-up „codary“ gegründet hat. „Unser Ziel ist es, Programmieren als beliebtes Nachmittagshobby, etwa wie Sport- oder Musikunterricht, zu etablieren“ sagt Antonia Schein (27), die sich bei codary um Marketing und Finanzierung kümmert. Für das Business Development ist die Kollegin Amanda Maiwald (28) zuständig. Der Dritte im Gründungsbunde, Nikolaj Bewer (28), treibt die Produktentwicklung voran.
Starthilfe bekam das Trio, das Informatik und Wirtschaftswissenschaft hauptsächlich an Berliner und Potsdamer Universitäten studiert hat, durch ein einjähriges Stipendium, das vom Berliner Senat und der Technischen Universität Berlin vergeben wurde. Trotz guter Berufsaussichten in der Industrie wagten die codary-Gründer das Risiko der Selbstständigkeit. „Programmieren wird derzeit in der Schule nur wenig beigebracht“, sagt Schein beim Gespräch im Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC), einem Gründungszentrum der WISTA. Es mangele an Fachlehrer/-innen, zudem sei die technische Infrastruktur oft unzureichend. Auch beim Informationstechnischen Grundkurs (ITG), der in manchen Bundesländern als Wahlpflichtfach angeboten wird, stehe oft nicht Programmieren im Zentrum, es gehe eher um die theoretischen Grundlagen bezüglich Computer und Digitalisierung.
Die Gründungsidee, junge Menschen zwischen sieben und 16 Jahren mit der Sprache vertraut zu machen, die hinter digitalen Anwendungen steckt, wurde in kurzer Zeit erfolgreich umgesetzt. „Wir haben schon fast 1.000 Kindern und Jugendlichen das Programmieren nahegebracht“, erklärt Schein. Im Gegensatz zu anderen außerschulischen Anbietern wird bei codary alles digital vermittelt. Die Lernplattform bietet einmal wöchentlich Zugang zum einstündigen Video-Chat, in dem Coaches die Konzepte der Programmierung nahebringen. Diese können anschließend praktiziert werden, indem die Teilnehmenden - ebenfalls über die Lernplattform - Aufgaben und Projekte abrufen und bearbeiten.
Für Aktivitäten unterwegs, etwa auf dem Weg zur Schule oder nach Hause, dient eine mobile Lern-App. „Dort lernt man im Quiz-Format, einen Chatbot zu programmieren“, sagt Schein. Dabei handelt es sich um Software, mit der Nutzende über ein Textfeld oder Spracherkennung chatten können. „Ein solch komplettes Lernangebot fürs Programmieren gibt es anderswo nicht“, betont Antonia Schein. Mit dem „spielerisch aufgesetzten Konzept“ solle der Lernprozess als gemeinsame Aktivität erlebt werden, bei der die Kinder in der Gruppe online zusammenkommen und neue Wege ausprobieren. „Die gemeinsamen Gespräche sind ein entscheidender Vorteil der Video-Chat-Sessions.“ so Schein. Die Gruppen werden nach dem Alter der Teilnehmer, 7-10 Jahre und 10-16 Jahre, sowie nach dem Kenntnisstand, Anfänger oder Fortgeschrittene, eingeteilt. Für einen speziellen App-Entwicklungskurs haben sich vor allem Mädchen angemeldet. „Es geht darum, in einem sehr kreativen Prozess eine eigene mobile App zu entwickeln“, erklärt die Gründerin. „Welche Farbe, welches Bild, wo soll der Text stehen?“ Das sei ein etwas anderer visueller Denkprozess als gewöhnlich, den anscheinend Mädchen besonders gern machen.
Über eine kostenlose Schnupperstunde kann die Gruppe kennengelernt sowie das richtige Funktionieren von Computer und Kamera getestet werden, bevor sich die Interessenten für die Buchung eines ein, drei oder sechs Monate dauernden Kurses entscheiden können. Die Anmeldung müssen die Eltern machen.
Da die Teilnehmer bundesweit verteilt sind, sind Treffen meist nur online möglich. Beliebt sind gemeinsame Videospiele. „Man trifft sich online außerhalb der Kursstunden, programmiert etwas, spielt zusammen. Das finden wir total cool“, sagt Schein begeisternd. Die im Kurs gelehrte Programmiersprache ist Python, sie gelte als derzeit am weitesten verbreitet und vielfältig einsetzbar, sehr logisch und leicht verständlich. „Die Prinzipien von Python gelten für jede Programmiersprache, so dass man sie auch leicht für andere nutzen kann.
Wie gut das Konzept funktioniert, zeigt nicht nur das auf zehn Mitarbeitende angewachsene Team im CHIC sowie die zehn Tutoren, die deutschlandweit verteilt die online-Kurse betreuen. Auch die Zahl der Auszeichnungen für das Start-up ist beachtlich. Es begann mit dem Businessplan Wettbewerb Berlin-Brandenburg der Investitionsbank Berlin (IBB), dann folgte im Juni 2021 der 2. Platz hinter Pfizer/Biontech beim Digital Leader Award der Zeitschrift Computerwoche. „Wir waren sehr glücklich, mit so großen Namen auf dem Treppchen zu stehen“, sagt Schein. Mitte November erhielt sie zusammen mit Co-Gründerin Amanda Maiwald den „Digital Female Leader Award“ in der Kategorie Entrepreneurship. „Wir wurden von global digital women, einer Agentur, die sich für Diversität einsetzt, dafür gewürdigt, dass wir als Frauen die Digitalisierung vorantreiben.“ Ende November folgte schließlich ein Sonderpreis beim Innovationspreis Berlin- Brandenburg. „Die Veranstalter waren von unserer Idee überzeugt, Chancengleichheit in die Informatik zu bringen“, kommentiert Schein. „Das war eine totale Überraschung“, fügt die codary-Gründerin hinzu. Es wird vermutlich nicht die letzte sein.
Paul Janositz
Kontakt:
codary GmbH
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