Marktführer von morgen: Wie Kristalle die Brustkrebstherapie verbessern
Kristalle sind dieses Mannes bester Freund: Durch sie hat Klaus Schwenkenbecher hochpräzise Gamma-Sondensysteme für die Brustkrebstherapie entwickelt. Seine kleine Adlershofer Firma Crystal Photonics ist zur ersten Adresse in der Nuklearmedizin geworden.
Die Methode ist radikal: Bei Frauen mit Brustkrebs wurden lange vorbeugend alle Lymphknoten entfernt, um beizeiten eine Streuung der Tumoren zu verhindern. Tatsächlich ist dies nur bei einem Viertel der Erkrankten notwendig. Meist genügt es, die dem Krankheitsherd nahe gelegenen Knoten zu entnehmen. Die entscheidende Frage dabei ist: Um welche handelt es sich? Die von Klaus Schwenkenbecher und seiner Adlershofer Firma Crystal Photonics entwickelte Technik liefert verlässliche Antworten – und verhindert unnötiges Leid.
Wächterlymphknoten entscheidend
Das medizinische Gamma-Sondensystem namens „Crystal Probe“ spürt in den Wächterlymphknoten krankhaftes Gewebe auf, indem es eine Ansammlung von vorher eingebrachtem schwachradioaktivem Material erkennt. Als Wächterlymphknoten gelten jene, die im Abflussgebiet der Lymphflüssigkeit eines bösartigen Tumors an erster Stelle liegen. „Sind in diese Lymphknoten bereits Tumorzellen mit dem Lymphfluss eingeschleppt worden, finden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Metastasen in der Umgebung“, erklärt der Wissenschaftler. Sind die Wächterlymphknoten jedoch metastasenfrei, ist eine breite Streuung eher unwahrscheinlich. Daher ist es so wichtig, verlässlich nachzuweisen, ob Wächterlymphknoten befallen sind oder nicht.
Das Innere des Baumes in 3-D
„Dafür, und dass Eingriffe schonender werden, lohnt die jahrelange Forschungsarbeit“, sagt Schwenkenbecher. Sein Gamma-Sondensystem sucht seinesgleichen, denn es ist sehr kompakt und vielseitig einsetzbar. Demnächst werden damit zudem Tumoren der Haut und Prostata lokalisiert werden können. Der kleine Kernstrahlungsdetektor wird aber auch an Flughäfen zur Gepäckkontrolle eingesetzt, in Industrie und Forschung und sogar für Baumtomografien. Dann liefert eine neu entwickelte Handheld-Kamera 3-D-Bilder aus dem Inneren des Baumes, womit sich eindeutig entscheiden lässt, ob die Motorsäge angesetzt werden muss, weil er im Kern morsch ist, oder nicht.
Weltweit aktiv
Vor allem aber sind es die medizinischen Anwendungen, die die Adlershofer Neun-Mitarbeiter-Firma zu einem heimlichen Marktführer machen. Ein Drittel aller in Deutschland verkauften Systeme stammt von hier, wobei Crystal Photonics die Hälfte des Umsatzes von einer Millionen Euro im Ausland erwirtschaftet. „Das ist eine echte Nische, in der wir uns gegen große Medizintechnikhersteller gut behaupten“, erklärt Schwenkenbecher und ergänzt, dass der Markt mit 500 bis 1.000 verkauften Systemen jährlich weltweit überschaubar ist. Rund 100 davon liefern die Berliner für 10.000 bis 15.000 Euro. Schwenkenbecher ist zugleich Vertriebschef und hat sich ein klares Ziel gesetzt: „Wir sind zwar auf allen großen Märkten aktiv, doch ich möchte auch noch die letzten weißen Lücken auf der Landkarte schließen.“
An seiner Entschiedenheit besteht kein Zweifel. Der 58-Jährige kann vor allem eines nicht: tatenlos zusehen. So war das auch, als er zum 30. Juni 1991 seinen Job als Abteilungsleiter für Kristallzüchtung im Werk für Fernsehelektronik Oberspree verlor, wo er unter anderem Materialien für Infrarot-Nachtsichtgeräte entwickelte. Bereits am nächsten Tag zückte er eine Visitenkarte, die ihn als Geschäftsführer der neu gegründeten Crystal GmbH auswies. Sein Wissen und seine Visionen trieben ihn an. Das ist bis heute so.
Steckenpferd: Kristalle
Kristalle sind dieses Mannes bester Freund. Sie sind zwar ein ungeheurer kompliziertes Material, sagt er, sehr schwer herzustellen, doch in ihnen schlummert das Potenzial für etliche neue Anwendungen in der optischen Sensortechnik. Das fasziniert den Festkörperphysiker seit jeher. Deshalb hat sich die Crystal Photonics vor vier Jahren aus dem ursprünglichen Unternehmen ausgegründet. Da war die Idee für das Gamma-Sondensystem schon längst gereift. Wo die junge Firma ihre Zelte aufschlagen würde, war hingegen nicht so klar. Doch alte Weggefährten lockten Schwenkenbecher nach Adlershof.
Einen Schritt, den er nie bereut hat: „Der Standort hat internationalen Rang, und die Vernetzung von Hightech-Firmen sowie von Forschungsinstituten ist erstklassig“, sagt der Crystal Photonics-Chef. Die Firma will wachsen und am Standort bleiben. Schwenkenbecher peilt für die nächsten Jahre an, den Umsatz zu verdreifachen – die Mitarbeiterzahl auch. An der nächsten Generation der medizinischen Sonden wird schon gearbeitet. Sie wird noch sensitiver sein und damit noch strahlungsärmeres Arbeiten zulassen. Die ersten bildgebenden Systeme für die Wächterlymphknoten-Analyse, die Hand-Held-Gamma-Kamera „eZ-Scope”, sind ausgeliefert.
Schwenkenbecher, einst in der DDR-Nationalmannschaft der Kanuten, ist im Grunde ein Ausdauersportler geblieben. Sein Ziel ist, wie könnte es anders sein, ganz oben auf dem Treppchen zu stehen: „Wir möchten Marktführer werden.“
Chris Löwer