Mit Feuereifer gähnen
„Jugend-forscht“-Projekte zeugen von Neugier und Leidenschaft des wissenschaftlichen Nachwuchses
Sie forschen zur emotionalen Verbundenheit beim Gähnen und zu den Gefühlen, die Roboter auslösen – mit Neugier, Phantasie und Begeisterung gehen Schüler und Jugendliche selbstgestellten Fragestellungen auf den Grund. In der Wissenschaftsstadt Adlershof werden die Nachwuchstalente gefördert, zum Beispiel im Februar, wo der Regionalwettbewerb Berlin Süd und das Hauptstadtforum des MINT-EC stattfinden.
Wer kennt das nicht: Kaum hat in einer gemütlichen Runde einer zu gähnen begonnen, kann man es selbst kaum unterdrücken. Möglicherweise zeuge dies von emotionaler Verbundenheit – so jedenfalls haben es Svea Wobring und Marla Lakhssassi vor ein paar Jahren zufällig in einer Zeitschrift gelesen. Es wurde zu einem Insiderwitz ihrer Freundschaft. Jetzt lassen die beiden 16 und 17 Jahre jungen Schülerinnen der 11. Klasse des Evangelischen Gymnasiums Köpenick andere für sich gähnen. Zu Forschungszwecken. Als Themen für den diesjährigen „Jugend forscht“-Wettbewerb gesucht wurden, erinnerten sie sich wieder an die Studie – und daran, dass immer noch ungeklärt ist, warum der Gähnreflex eigentlich ausgelöst wird.
Mit Begeisterung stürzen sich die Jungforscherinnen auf das nur scheinbar von Langeweile umhüllte Thema. „Es macht riesigen Spaß, einer eigenen Frage nachzugehen, zu der die Antwort noch nicht bekannt ist“, sagt Marla. Svea ergänzt: „Wir können viel genauer und intensiver in ein Thema einsteigen als in der Schule und entscheiden selbst, wie wir unsere Experimente entwickeln.“ So können sie ihr zum Teil schon im Elternhaus begründetes Interesse an medizinischen und biologischen Themen praktisch ausprobieren. Mit einem Berufswunsch in diese Richtung liebäugeln beide. Svea und Marla haben vier Hypothesen über mögliche Gähn-Ursachen aufgestellt: Abkühlen des Gehirns zur besseren Blutversorgung, Ermunterung durch bessere Sauerstoffversorgung, Schutz der Eustachischen Röhre im Innenohr, genetisch veranlagtes Mittel der Kommunikation. Ihre Probanden wollen sie durch langweilige Hörspiele zum Gähnen bringen und sie dabei mittels Messmethoden wie Elektroenzephalogramm (EEG) und Elektrokardiogramm (EKG) untersuchen. Die Geräte dafür stehen ihnen im Schülerforschungszentrum Berlin der Lise-Meitner-Schule zur Verfügung. Für das Phänomen der Ansteckung und die These über die emotionale Verbundenheit haben sie sich ein besonderes Tier-Experiment ausgedacht: Ein Hund bekommt nicht nur das Gähnen seines Herrchens vorgespielt, sondern auch Videos, in denen ihn fremde Menschen angähnen. „Die spannende Frage ist jetzt: Wann gähnt der Hund zurück?“, sagt Marla.
Auch Steve Zöhrens und Eric Bellin genießen es, mal nicht nach Stundenplan zu lernen, sondern im Rahmen von „Jugend forscht“ zu zweit ein Thema zu erforschen. Die 15-jährigen Schüler, die in die 10. Klasse der Oberschule an der Dahme gehen, haben ihre Liebe zu Robotern entdeckt – und diese „Liebe“ gleich zu einem eigenen Forschungsthema gemacht. Inspiriert wurden sie bei einem Projekt am Schülerforschungszentrum Berlin der Lise-Meitner-Schule, wo sie NAO, einen etwa 60 Zentimeter großen humanoiden Roboter programmieren – zum Laufen zum Beispiel oder zum Hinsetzen.
„Weil der Roboter sich so menschlich bewegen kann, konnte man gleich mit ihm sympathisieren“, erzählt Steve. „Also haben wir uns gefragt: Kann ein Roboter wie NAO tatsächlich Emotionen auslösen?“ Dieses Thema verbindet auf ideale Weise technische Fragestellungen, bei denen Steve Spezialist ist, und ethisch-philosophische Aspekte, für die sich besonders Eric interessiert. Ihre Idee: NAO soll – durch extra programmierte zurückweisende Gesten oder Ansprachen – seinem Gegenüber mitteilen, dass er nicht an der rechten Schulter berührt werden möchte. Die Jungforscher wollen dann mithilfe eines Fragebogens herausfinden, was das menschliche Gegenüber bei einer solchen Zurückweisung empfindet: Reue womöglich, gar nichts oder findet er es einfach nur lustig? Ist das bei jungen Menschen anders als bei älteren? „Es ist eine schöne Erfahrung, gemeinsam zu arbeiten, viel zu diskutieren und sich zu ergänzen: Wenn einer mal nicht weiterweiß, hat der andere vielleicht eine gute Idee“, sagt Steve, der nach dem mittleren Schulabschluss das Abitur machen und in Richtung Informatik gehen möchte.
Erstmal allerdings werden sich Steve und Eric, Marla und Svea am 23. und 24. Februar 2016 mit anderen Schülern und Jugendlichen beim „Jugend forscht”-Regionalwettbewerb Berlin Süd messen. Das ist nur eine von vielen Nachwuchsaktivitäten, die am Wissenschaftsstandort Adlershof stattfinden. Es gibt andere Wettbewerbe wie etwa „Känguru der Mathematik“, der am 17. März 2016 stattfindet, aber auch diverse Schülerlabore und Schülergesellschaften der hier ansässigen Universitäten und Forschungseinrichtungen.
MINT400
Am 4. und 5. Februar 2016 ist Adlershof Veranstaltungsort der „MINT400 – Das Hauptstadtforum des MINT-EC“. Im Excellence-Schulnetzwerk MINT-EC sind mittlerweile – auf Initiative der Wirtschaft – 247 Schulen mit Sekundarstufe II vernetzt, die herausragende Angebote im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik (MINT) haben. Zum Hauptstadtforum entsenden sie insgesamt 400 Schüler und 50 Lehrer. Sie können sich in verschiedenen Veranstaltungsformaten über Studien- und Berufsperspektiven informieren: So präsentieren sich auf dem Bildungsmarkt rund 30 Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Region. Viele davon öffnen an Tag zwei ihre Labore, damit die Schüler experimentieren und kleine Forschungsprojekte durchführen können. Der Spaßfaktor wird bei alledem großgeschrieben, so auch bei der Abschlussveranstaltung, bei der „Star Wars“ unter die wissenschaftliche Lupe genommen wird.
Von Uta Deffke für Adlershof Journal
www.adlershof.de/jugend-forscht/
www.mint-ec.de/mint400-2016-hauptstadtforum.html