Präsenz bleibt Pflicht!
Ein Stimmungsbild unter Adlershofer Produktionsunternehmen
Mobiles Arbeiten ist angesichts der Corona-Krise ein Segen. Doch längst nicht jeder kann dieses Privileg genießen. Produktioner müssen Präsenz zeigen. Wie geht es Adlershofer Unternehmen damit? Wie meistern sie die ungewisse Zukunft? Ein Stimmungsbild.
Die Produkte der AEMtec GmbH sind klein, fein – und werden weiterhin ohne Einschränkungen in Adlershof produziert. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von komplexen mikro- und optoelektronischen Modulen bis hin zu kompletten Systemen für Medizin, Industrie und Automatisierung, Data- und Telekommunikation, Halbleiter sowie Luft- und Raumfahrt. Chef Jan Trommershausen hat Vorsorge getroffen, dass die Produktion nicht stockt – denn im Homeoffice lassen sich nun mal keine Hightechprodukte herstellen.
Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Betrieb, die Ablösung ist so organisiert, dass sich die Mitarbeiter im Umkleideraum nicht über den Weg laufen, Mundschutz ist Pflicht, auch im Pausenraum wird strikt auf den Sicherheitsabstand geachtet. In den Büros bleibt je die Hälfte der Angestellten abwechselnd im Homeoffice. Selbst im Engineering wird zeitversetzt gearbeitet. Nur: „Wir digitalisieren die Prozesse zwar so weit es geht, doch bei kleinen Stückzahlen hochspezieller Produkte stößt die Automatisierung an Grenzen“, sagt Trommershausen. Auch künftig wird sich daran wenig ändern – es wird unverändert darauf ankommen, auf gesunde Mitarbeiter bauen zu können. Trommershausen hofft zwar, dass der Normalbetrieb samt unveränderter Auftragslage, wie das bei Redaktionsschluss der Fall war, der Firma erhalten bleibt, zumal AEMtec-Kunden nicht aus dem gebeutelten Automotive-Bereich stammen. „Aber es kann passieren, dass es so nicht bleibt“, meint er. „Sollte der Teilenachschub oder die Kundennachfrage stocken, können wir das ein bis zwei Wochen durch vorsichtiges Vorfertigen abfedern.“ Doch dann gelte es: Kurzarbeit so lange wie möglich vermeiden.
Martin Lehmann, Geschäftsführer der EBK Krüger GmbH & Co. KG, nimmt das „K-Wort“ erst gar nicht in den Mund, denn er ist vorsichtig optimistisch – obgleich seine Kunden zu 60 bis 70 Prozent aus der Autobranche stammen. Jedoch: Die Firma fertigt mechanoelektrische Teile wie Relais oder Einspritzventile, nach ihrem Serienauslauf, um auch für ältere Fahrzeuge oder Maschinen Ersatzteile liefern zu können. Das heißt auch: „Bei uns wird noch viel händisch gearbeitet. Präsenz ist also Pflicht“, sagt Lehmann. Glücklicherweise lassen sich in der Produktion die Arbeitsplätze der knapp 60 Mitarbeiter in Adlershof (in Mariendorf arbeiten 30 weitere) mit ausreichend Abstand einrichten. Die Verwaltung arbeitet derzeit überwiegend mobil. Lehmann hofft: „Solange die Logistikketten halten, dürfte es bei uns weitergehen.“ Allerdings schließt er nicht aus, dass einige Aufträge ausgesetzt werden, was für Lehmann bitter ist, weil er in Vorleistung gehen müsste.
Mit vielen Fragezeichen blickt auch Jörg Brech, Geschäftsführer der WITT Sensoric GmbH, in die Zukunft. Die auf Lichtschrankensysteme für automatisch betriebene Tore in Industrie und Eigenheimen spezialisierte Firma fertigt komplett in Berlin. Die Produktion läuft. Vor allem auch, weil „wir die Maßnahmen zur Vermeidung der Virusausbreitung zügig und in regelmäßiger Abstimmung mit den Mitarbeitern und unseren medizinischen Ratgebern festgelegt haben“, berichtet Brech. „Aktuell sind wir noch sehr gut ausgelastet, aber als international tätiges Unternehmen wird sich diese Situation verändern“, ist sich der Chef sicher. Jahrelang sei die Produktion sehr gut ausgelastet gewesen und das Wachstum durch die vielen offenen Stellen, die nicht besetzt werden konnten, beschränkt. Brech: „Daher sehen wir in der aktuellen Situation auch neue Möglichkeiten, die wir gerne nutzen möchten.“ Fraglich nur, ob das gelingen kann. „Wir sind von der tagesaktuellen Situation und den politischen Vorgaben abhängig, so dass unsere tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten als Firma beschränkt sind und wir nur noch (im Nachgang) darauf reagieren könnten“, bedauert Brech. „Leider heilt die Zeit hier nicht alle Wunden. Umso länger diese Situation anhält, umso struktureller wird der wirtschaftliche Gesamtschaden sein.“
Von Chris Löwer für Adlershof Journal