Präzision made in Berlin
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) gilt als Wiege der Quantenphysik und testet die Grenzen des Messbaren aus. In Charlottenburg befindet sich das Institut Berlin (IB) der PTB in fruchtbarer Nachbarschaft.
Wenn es hochpräzise werden muss, dann kommt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ins Spiel. Sie ist das nationale Metrologie-Institut und oberste Instanz bei allen Fragen des richtigen und zuverlässigen Messens in Deutschland. „Objektivität, Leidenschaft und Genauigkeit – dafür steht die PTB“, erklärt Tobias Schäffter, Leiter des Charlottenburger Instituts Berlin (IB).
Ein geschichtsträchtiges Pflaster. Denn auf dem Areal wurde 1887, als Charlottenburg noch vor den Toren der Stadt lag, auf der grünen Wiese von dem Industriellen Werner von Siemens der Grundstein für die heutige PTB gelegt. Von Siemens wollte einen Ort für die Qualitätssicherung und Standardisierung für die damals aufkommende Elektroindustrie schaffen. Nicht zuletzt war ihm die Herkunftsbezeichnung „made in Germany“ ein Dorn im Auge, die die Briten als Schutz vor vermeintlich minderwertiger Importware aus Deutschland eingeführt hatten. Der Rest ist Geschichte.
Doch so wie made in Germany längst ein weltweit begehrtes Gütesiegel wurde, ist die PTB das Maß der Dinge in Sachen Messgenauigkeit in der Materialwissenschaft, Quantentechnologie, Medizin und bei Daten. An der Charlottenburger Geburtsstätte (die Zentrale wanderte nach dem Krieg nach Braunschweig) sind zwei der neun Fachabteilungen zur wissenschaftlichen Messtechnik (Metrologie) untergebracht. Rund 500 Forschende arbeiten auf den Gebieten der Temperatur und Synchrotronstrahlung sowie der Medizinphysik und metrologischen Informationstechnik. Neben dem Campus Charlottenburg nutzt die PTB in Berlin Adlershof die Elektronenspeicherringe BESSY II des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) und ihre eigene Metrology Light Source (MLS).
„Das IB ist durch seine unmittelbare Nähe zur Technischen Universität Berlin in Charlottenburg und Humboldt-Universität zu Berlin in Adlershof sowie durch vielfältige Kooperationen mit außeruniversitären Forschungspartnern ein lebendiger Teil der Berliner Wissenschaftslandschaft“, sagt Schäffter, der diese fruchtbaren nachbarschaftlichen Beziehungen schätzt und nutzt. Wie auch das Netzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur – ganz im Sinne der Salonnière Anna von Helmholtz, die als Gattin des ersten Präsidenten der Reichsanstalt, Hermann von Helmholtz, diesen Austausch förderte.
Als besonders wertvoll erweisen sich dabei für die knapp 100 Mitarbeitenden des IB die Möglichkeiten der Metrologie mit Synchrotronstrahlung bei BESSY II und MLS. Hier wird unter anderem Forschung und Entwicklung für optische Weltrauminstrumente, für Materialmetrologie und für die Industrie betrieben. Etwa rund um die nächste Generation von Microchips, mit denen unsere Smartphones und Computer künftig betrieben werden. Zu den Auftraggebern zählen unter anderem die niederländische ASML Holding N.V. und die Carl Zeiss AG. „Forschung muss in Anwendungen münden, auch da stehen wir in der Tradition der beiden Gründungsväter Werner von Siemens und Hermann von Helmholtz“, unterstreicht Schäffter. In dieser Hinsicht ist die Kooperation mit dem Campus Adlershof, wo Wirtschaft und Wissenschaft Hand in Hand gehen, sehr gewünscht.
Ausweis dafür ist auch der neue Walther-Meißner-Bau der PTB. Die Berliner Dependance des Quantentechnologiekompetenzzentrums (QTZ) beinhaltet Labor-, Mess- und Reinräume für höchstgenaue Messungen der Temperatur und für Forschungsarbeiten rund um supraleitende Sensorik. Hier erfolgen Forschungs-, Entwicklungs- und Kalibrierarbeiten auf dem Gebiet der Thermometrie und der Messtechnik bei Temperaturen Nahe des absoluten Nullpunktes bei minus 273 Grad Celsius.
Im Zentrum dabei stehen höchstempfindliche supraleitende Quanteninterferometer (SQUIDs) – Spitzenforschung. SQUID-Sensoren dienen der Messung kleinster Magnetfelder, etwa von Nervenströmen in der Medizin oder Entladungsvorgängen zur Verbesserung von Akkus für E-Autos.
„Bei dem Walther-Meißner-Bau haben wir uns auch an Adlershof orientiert. Wir wollten sozusagen den Industriepark in kleinem Maßstab nachbilden und kleinen wie mittleren Unternehmen Zugang zu einzigartigen Messmöglichkeiten bieten“, sagt Schäffter. Somit können auch kleinere Player die Grenzen des Messbaren austesten, um ihre Innovationen made in Germany rasch auf den Markt zu bringen.
Chris Löwer für POTENZIAL
Leiter des Instituts Berlin - PTB.de