Renaissance der Analytik
SALSA-Graduiertenkolleg will analytischen Werkzeugkasten von Studenten und Forschern vergrößern
Wenn es die Graduiertenschule für Analytical Sciences Adlershof (SALSA) bereits gäbe, dann würden sich die Doktoranden des Programms jetzt wohl Gedanken über den Unglücksreaktor in Fukushima machen. Schließlich geht es in den Nachrichten aus Japan vor allem um die gemessenen Werte von Cäsium, Plutonium und anderen radioaktiven Elementen. Und Analytik, das bedeutet vor allem: Messen. Die Konzentration an radioaktiven Elementen im Grundwasser, die Reinheit einer Chemikalie oder die Struktur eines Nanopartikels.
Keine Orchideenwissenschaft
„Die analytische Chemie ist keine Orchideenwissenschaft, sie wird heute überall gebraucht“, sagt Ulrich Panne. Der Professor für Analytische Chemie an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) arbeitet außerdem bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und ist einer der Sprecher von SALSA. In einem Industriestaat bewege sich der Umsatz in der Analytik in Milliardenhöhe, sagt Panne. Das Problem: Die Wissenschaft ist zersplittert. Mediziner versuchen einzelne Eiweißmoleküle in einem Tropfen Blut nachzuweisen, Lebensmittelwissenschaftler messen Cadmium im Salat und Materialwissenschaftler versuchen auf atomarer und molekularer Ebene zu verstehen, warum eine ICE-Achse bricht. Sie alle nutzen ähnliche Prinzipien, aber die Fortschritte, die in einzelnen Bereichen gemacht werden, kommen häufig erst Jahre später anderen Feldern zugute.
Analytischen Werkzeugkasten vergrößern
Viele Studierende kennen ohnehin nur die Methoden, die in ihrem Labor angewendet werden. „Wenn Ihr Doktorvater nur einen Hammer hat, dann sieht alles aus wie ein Nagel“, sagt Panne. Ziel von SALSA ist es, den analytischen Werkzeugkasten von Studenten und Forschern zu vergrößern, indem Studenten mit vielen Methoden in Berührung kommen, aber auch indem sie lernen, Probleme der Analytik auf ganz verschiedenen Ebenen anzugreifen und so Messmethoden zu verbessern und neue zu entwickeln. „Es geht uns um eine Renaissance der analytischen Wissenschaften“, sagt Janina Kneipp, Juniorprofessorin an der HU und der andere Kopf hinter SALSA.
Insgesamt 25 Forscher von der HU, der Universität Potsdam, der Technischen Universität Berlin und der ETH Zürich haben sich zusammengeschlossen, um diese Renaissance einzuleiten und gemeinsam die Graduiertenschule SALSA entwickelt. Die erste Hürde haben sie genommen. Am 2. März wählte die Deutsche Forschungsgemeinschaft 25 von 98 Anträgen in die zweite Runde. Der Antrag für SALSA war dabei.
Strategie zum Problemlösen lernen
Graduiertenschulen sind der Ausbildungsteil der Exzellenzinitiative. Sie sollen den wissenschaftlichen Nachwuchs auf hervorragende Art und Weise fördern. Für die designierten Sprecher Kneipp und Panne heißt das auch: „Man kann nicht eine Vorlesung halten und sagen: ‚Die analytische Chemie besteht aus folgenden 20 Geräten.’“ Viel mehr gehe es darum, eine Strategie zum Problemlösen zu lernen. Dabei sollen Fallstudien helfen, wie sie etwa im Medizinstudium benutzt werden: Die Studierenden bekommen ein Problem geschildert und haben eine Woche Zeit, eine Lösung zu entwickeln.
Probleme wie jetzt in Fukushima. „Da gibt es eine Reihe interessanter Fragen“, sagt Panne. „Wie muss ich eine Probe nehmen? Wie komme ich überhaupt an die Proben? Wie muss ich das messen?“ Und das Beispiel zeigt noch einen Bereich, in dem SALSA die Ausbildung verbessern will: Kommunikation. „Das reine Bestimmen reicht nicht, Sie müssen auch in der Lage sein, das in einen Kontext zu setzen und zu kommunizieren“, sagt Kneipp. Das haben die Diskussionen um Weichmacher im Spielzeug, Dioxine im Essen oder Radioaktivität im Wasser gezeigt. Noch ist nicht klar, ob SALSA am Ende den Zuschlag erhält. Aber eines ist sicher: Wenn im November 2012 die ersten Kurse beginnen sollten, wird es den Dozenten wohl nicht an aktuellen Beispielen mangeln.
von Kai Kupferschmidt
Link: www.bam.de