Sicher im OP
Neu entwickelte Handschuhe von „Smarterials Technology“ schützen vor Nadelstichen
Möge alles gut gehen, wünschen sich Patienten und Angehörige, bevor die Tür zum Operationssaal zugeht. Nicht nur Kranke, auch Ärzte sind gefährdet. „Schätzungsweise eine halbe Million Verletzungen durch Nadelstiche werden jährlich in deutschen Operationssälen registriert“, sagt Nikolaus Mirtschin. Der promovierte Materialwissenschaftler ist einer der Gründer der Smarterials Technology GmbH, die sicherheitsoptimierte Handschuhe für den OP entwickelt. Das Start-up der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) zog nach Gründung im Oktober 2016 für sechs Monate ins Inkulab auf dem Campus der Technischen Universität Berlin und im April 2017 ins Adlershofer Gründerzentrum.
Die Geschäftsidee entwickelte Physiker Martin Bothe, der während seiner Promotion in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) ein Patent zur Optimierung chirurgischer Handschuhe angemeldet hatte.
Die Relevanz eines besseren Schutzes für das medizinische Personal verdeutlichen nicht nur die auf etwa 1.600 Euro bezifferten Kosten einer Nadelstichverletzung. Noch schwerer wiegen die jährlich rund 400 Infektionen mit Hepatitis B und C sowie weitere Ansteckungen durch HIV und andere gefährliche Viren. Aber auch Patienten sind gefährdet, wenn durch perforierte Handschuhe Keime ins offene Gewebe gelangen.
„Als Schutz dienen Handschuhe aus Latex oder Polyisopren, die oft auch doppelt übergezogen werden“, sagt Bothe. Manche Hersteller böten auch gleich eine Zwei-Handschuhe-Version an, der innere dunkel, der äußere transparent. Bei Durchbohrung des Handschuhs und Einsickern von Blut oder Flüssigkeit wird ein dunkler Fleck sichtbar. Diese oft nicht besonders deutliche Anzeige möchte Larisa Schmidt, durch Zugabe modifizierter Festkörperpartikel verbessern. Die junge Chemikerin hat an der HU promoviert. In ihrer Doktorarbeit befasst sie sich mit der Synthese und Charakterisierung anorganischer Partikel in der Medizin. Jetzt will sie herausfinden, wie Latexmaterialien zu beschichten sind, um besser schützende OP-Handschuhe zu bekommen.
Die Smarterials-Gründer, zu denen auch Finanzexperte Michael Schneiker gehört, möchten wirksamen Schutz vor Nadelstichen mit einem einzigen, speziell geformten Handschuh gewährleisten. Gerade in der oft hektischen Operationssituation ist es vorteilhaft, nur einen Handschuh überziehen zu müssen, der zudem besonders sicher und fest ist, vor allem an Partien, die am meisten von Stichverletzungen bedroht sind, wie Daumen, Zeigefinger oder Handfläche. Zu den weiteren Pluspunkten zählt das bessere Tastgefühl des Chirurgen, da das Smarterials-Material dünner ist als zwei übereinandergezogene Latexhandschuhe.
Die chirurgischen Handschuhe aus Adlershof sollen bis Ende 2018 alle für ein Medizinprodukt notwendigen Tests bestanden haben. „2019 soll der Verkauf starten“, sagt Schneiker. Die Marktchancen beurteilt der Wirtschaftswissenschaftler optimistisch. Immerhin gebe es allein in Deutschland jährlich etwa 16 Millionen Operationen und das auf Sicherheit getrimmte Smarterials-Produkt sei zudem kostengünstiger als die derzeit verwendeten, doppelt übergezogenen Latex-Handschuhe.
Von Paul Janositz für Adlershof Journal