Solarkraftwerk Adlershof: Vom Versuchsfeld für Solaranlagen zur respektablen Energieversorgung
Mit den neuen Solarzellen auf dem Dach von „Studio H“ ist es geschafft: Die mittlerweile 21 Photovoltaik-Anlagen in Adlershof liefern bei höchster Sonneneinstrahlung zusammen deutlich mehr als ein Megawatt elektrische Leistung. Eine Größenordnung, in der auch herkömmliche kleinere Kraftwerke Strom produzieren. Was als Versuchsfeld für Solarzellen begann, ist damit zu einem ernst zu nehmenden Faktor in der Energieversorgung von Adlershof geworden.
Pro Jahr produzieren die Solarzellen in Adlershof so viel Strom, dass man damit mehr als 330 Einfamilienhäuser versorgen könnte. Die Photovoltaik-Anlagen leisten damit einen echten Beitrag zur Energieversorgung des Geländes. „Sie haben aber auch noch eine zweite, sehr wichtige Funktion“, sagt der Adlershofer Solar-Pionier Klaus Thiessen, der trotz seiner 83 Jahre als wissenschaftlicher Berater aktiv ist. „Sie ermöglichen den direkten Vergleich unterschiedlicher Systeme und Hersteller.“
Doppelseitig aktiv
So wie die Solarzellen auf dem „Studio H“ in der Medienstadt, die vor kurzem von der Firma Dachland installiert wurden. „Dort stehen sowohl bifaciale wie auch unifaciale Zellen“, erzählt Thiessen. Während unifaciale Zellen nur eine aktive Seite haben, besitzen bifaciale zwei: Ein Reflektor am Boden wirft Sonnenlicht auf die eigentlich im Schatten liegende Rückseite der Solarzelle. Sie wandelt dieses Licht dann ebenfalls in Strom um. Nun wird wissenschaftlich untersucht, wie viel dieser Effekt im Alltagsbetrieb in Mitteleuropa ausmacht. „Der Betreiber ist eine israelische Firma, die sich ganz bewusst für Adlershof als Standort des Experiments entschieden hat“, sagt Thiessen. „Unser Ruf als Testgelände eilt uns inzwischen voraus.“
Dass es bis dahin ein steiniger Weg war, kann Klaus Thiessen mit vielen Anekdoten belegen. So musste zum Beispiel im Jahr 2000 ein Mitarbeiter mit roter Fahne auf das Dach des WISTA-Hauptgebäudes klettern, um die Höhe der geplanten Solaranlage anzuzeigen. Erst dann ließ sich der Beamte vom Denkmalschutz überzeugen, dass diese nicht den Gesamteindruck des historischen Baus verschandeln würde. Auch die Bedenken der Polizei, dass die zehn ebenerdigen und frei zugänglichen „Solar Mover“ der Firma Solon schnell Opfer von Vandalismus würden, erwiesen sich als unbegründet – offensichtlich hat die Photovoltaik in allen Bevölkerungskreisen ein positives Image. Seit immerhin sechs Jahren richten sich diese Solar-Module jeden Tag selbsttätig nach dem Stand der Sonne aus.
Solare Vielfalt
Ein Produkt aus Adlershofer Produktion könnte nun den Ausbau des „Solarkraftwerks Adlershof“ weiter vorantreiben. Wer vor dem Bürogebäude der Firma Sulfurcell steht, ahnt auf den ersten Blick nicht, dass sich hinter den schicken schwarzen Glaselementen der Fassade Dünnschicht-Solarzellen aus Kupfer-Indium-Sulfid verbergen. Der von ihnen produzierte Strom deckt immerhin ein Drittel des Energiebedarfs des Bürogebäudes. „Das Besondere an den Solar-Modulen von Sulfurcell ist, dass Sie genau wie herkömmliche Fassaden-Kassetten montiert werden können“, sagt Bernd Ludwig, Leiter des Zentrums für Photonik und Optik in Adlershof. „Die Produktion von Solarstrom ist damit nicht mehr nur auf die Dachfläche beschränkt.“ Gerade das Dach seines Zentrums zeigt eine weitere Facette in der Vielfalt der Solar-Technologien in Adlershof: Eine dünne Folie mit amorphen Silizium-Solarzellen ersetzt dort die übliche Bitumenpappe – eine kostengünstige Variante, die Dachabdichtung und Stromproduktion kombiniert.
Neues PV-Zentrum
Dass künftig mehr solcher innovativen Ideen am Standort Adlershof entwickelt werden, dafür wird ein neues Photovoltaik-Zentrum sorgen, dessen Bau Bernd Ludwig koordiniert. Hier sollen ab Herbst 2012 auf 8.000 Quadratmetern ca. 18 Solarfirmen Platz finden. Ihnen werden 2.000 Quadratmeter Labore und ebenso viele Hallenflächen für die Pilotproduktion zur Verfügung stehen. „Neben der Nutzung von Solarenergie zur Versorgung des Gebäudes werden wir dabei auch konsequent auf die Einsparung von Energie achten“, sagt Ludwig. „Der Energiebedarf wird 30 Prozent unter den staatlichen Vorgaben liegen und das Haus wird von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zertifiziert werden.“
von Wolfgang Richter
Link: www.adlershof.de/pv