Spinwellen mit kurzen Wellenlängen machen magnonische Computerbauteile möglich
Forschungsteam untersuchte Wechselströme für alternatives Rechnen mit Magneten an BESSY II
Eine neue Studie der Universität Wien, des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart und der Helmholtz-Zentren in Berlin und Dresden stellt einen wichtigen Schritt dar, Computerbauelemente weiter zu miniaturisieren und energieeffizienter zu machen. Die in der renommierten Fachzeitschrift Science Advances veröffentlichte Arbeit eröffnet neue Möglichkeiten, reprogrammierbare magnetische Schaltungen zu schaffen, indem Spinwellen durch Wechselströme angeregt und bei Bedarf umgelenkt werden.
Die zentralen Recheneinheiten (CPUs), die wir in unseren Laptops, Desktops oder sogar Telefonen verwenden, bestehen aus Milliarden von Transistoren, die auf der CMOS-Technologie (Complementary Metal Oxide Semiconductor) basieren. Mit der Notwendigkeit, diese Geräte zu miniaturisieren, ergeben sich aus physikalischen Beschränkungen Bedenken hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit. Darüber hinaus zwingen der hohe Stromverbrauch und die Energieverluste die Wissenschafter*innen dazu, nach alternativen Computerarchitekturen zu suchen.
Einer der vielversprechenden Kandidaten sind Magnonen, die Quanten der Spinwellen. “Stellen Sie sich einen ruhigen See vor. Wenn wir einen Stein ins Wasser fallen lassen, breiten sich die Wellen vom Entstehungsort weg aus. Nun ersetzen wir den See durch ein magnetisches Material und den Stein durch eine Antenne. Die sich ausbreitenden Wellen werden Spinwellen genannt und können genutzt werden, um Energie und Informationen mit minimalen Verlusten von einem Punkt zum anderen zu übertragen”, sagt Sabri Koraltan von der Universität Wien, Erstautor der kürzlich in der Zeitschrift “Science Advances” veröffentlichten Studie. Einmal erzeugt, können die Spinwellen für magnonische Funktionsbauteile genutzt werden, um klassische und unkonventionelle Rechenaufgaben zu erfüllen.
“Um den Platzbedarf von magnonischen Bauteilen zu verringern, müssen wir Spinwellen mit kurzen Wellenlängen verwenden, die mit modernen Nanoantennen aufgrund ihrer begrenzten Effizienz nur schwer zu erzeugen sind”, ergänzt Sebastian Wintz vom Helmholtz-Zentrum Berlin und Koordinator des Forschungsprojekts. Nano-Antennen können nur in Reinräumen, hochspezialisierten Nanofabrikationsanlagen, unter Verwendung fortschrittlicher Lithographietechniken hergestellt werden.
Die Forscher*innen aus Österreich und Deutschland haben eine viel einfachere Lösung gefunden: Der elektrische Strom fließt direkt durch einen Magnetstapel mit wirbelnden magnetischen Mustern. “Unsere Forschung zeigt, dass wir durch die Verwendung einer lateralen Wechselstromgeometrie in synthetischen ferrimagnetischen Wirbelpaaren eine Spinwellenemission mit einer Effizienz erreichen können, die herkömmliche Methoden um mehrere Größenordnungen übertrifft”, sagt Sabri Koraltan.
Synthetische ferrimagnetische Systeme haben entgegengesetzte Magnetisierungsmuster. Wenn die obere Schicht einen im Uhrzeigersinn rotierenden Wirbel hat, hat die untere Schicht einen Drehsinn gegen den Uhrzeigersinn. Dies ermöglicht die effiziente Anregung des Magnetisierungsmusters durch die von den Wechselströmen erzeugten Magnetfelder.“ Mit unserem hochauflösenden Röntgenmikroskop 'Maxymus' am Elektronensynchrotron BESSY II in Berlin konnten wir die vorhergesagten Spinwellen sogar bei nanoskaligen Wellenlängen und Gigahertz-Frequenzen direkt beobachten”, ergänzt Sebastian Wintz. “Durch den Einsatz spezieller Materialien, die ihre Magnetisierung bei mechanischer Spannung ändern können, haben wir zudem gezeigt, dass sich die Richtung dieser Spinwellen dynamisch steuern lässt, indem man einfach die Stärke des angelegten Stroms anpasst. Dies kann als ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu aktiven magnetischen Bauelementen angesehen werden”, ergänzt Sabri Koraltan.
“Die neue Generation unserer mikromagnetischen Simulationssoftware magnum.np macht es möglich, Simulationen auf sehr großen räumlichen Skalen durchzuführen. Diese Simulationen waren essentiell für das Verständnis der Hauptmechanismen hinter der hier beobachteten effizienten und kontrollierbaren Spinwellenanregung”, so Dieter Süss, Leiter der Abteilung für Physik funktioneller Materialien an der Universität Wien.
Die Fähigkeit, Spinwellen nach Bedarf umzulenken, eröffnet neue Möglichkeiten für die Schaffung umprogrammierbarer Magnonenschaltungen, die zu anpassungsfähigeren und energieeffizienteren Computersystemen führen könnten. Die in der Zeitschrift Science Advances veröffentlichten Ergebnisse stellen einen wichtigen Fortschritt bei der Suche nach neuen Wegen zur Erzeugung von Magnonen für die mögliche und künftige Entwicklung von magnonbasierten Technologien der nächsten Generation dar.
Publikation:
Sabri Koraltan et al. “Steerable current-driven emission of spin waves in magnetic vortex pairs” Science Advances 10.39 (2024)
DOI: 10.1126/sciadv.ado8635
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ado8635
Weitere Informationen und Kontakt:
- Abteilung für Physik funktioneller Materialien an der Universität Wien
- Rasterröntgenmikroskop MAXYMUS bei BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin
Pressemitteilung Universität Wien vom 26.09.2024