Strom und Kraftstoffe aus Sonnenlicht: Wann kommt das postfossile Zeitalter?
Derzeit tragen die fossilen Brennstoffe noch mehr als 80 Prozent zur Energieerzeugung in Deutschland bei. Dabei gelangt zuviel klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre. Umsteuern ist angesagt. Doch wie soll der Energiemix im Jahre 2050 aussehen?
Prof. Dr. Wolfgang Eberhardt bindet einen bunten Strauß von Möglichkeiten zum Energiemix der Zukunft. In den nächsten Jahrzehnten werde die Verbrennung fossiler Ressourcen wie Kohle, Öl und Gas ebenso nötig sein, wie der gezielte Ausbau der Nutzung regenerativer Energien von Sonne, Wind und Wasser, sagt der Wissenschaftliche Geschäftsführer am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) in Adlershof. Die Kernenergie sieht er nur als Brückentechnologie. Zu groß seien die Probleme mit radioaktiven Abfällen und Endlagerung, die – selbst wenn sie technisch und geografisch gelöst wären – die Gesellschaft über hunderte von Jahren politisch belasten würden.
Klimakatastrophe vorprogrammiert
Derzeit haben die fossilen Brennstoffe in Deutschland noch einen Anteil von mehr als 80 Prozent. Auf einen genauen Termin, ab dem ganz auf diese CO2-ausstoßende Technik verzichtet werden könne, will sich Eberhardt nicht festlegen. Innerhalb der nächsten 50 bis 100 Jahre, sagt er. Aber nicht deswegen, weil die auf Kohlenstoff basierten Energiequellen zur Neige gehen, sondern weil die Atmosphäre auf Dauer kein weiteres CO2 aufnehmen kann, ohne dass es zur Klimakatastrophe kommt.
Sonne satt
Die erneuerbaren Energien sind der Ausweg, davon ist Eberhardt überzeugt. Sonnenenergie beispielsweise ist im Übermaß vorhanden. „Die Energie, die die Sonne in einer Stunde auf die Erde strahlt, reicht für den Jahresverbrauch der ganzen Menschheit“, sagt der Physiker. Je nach der Effektivität reicht also weniger als ein Tausendstel der Erdoberfläche, diese Energie einzusammeln. Welche natürliche Quelle aber am meisten angezapft werden wird, ist heute – zumindest in unseren Breiten – noch nicht absehbar. Möglicherweise werden sich Europas Regionen spezialisieren. Im Norden weht der Wind heftig, im Süden brennt die Sonne vom Himmel, in den Alpen und in Skandinavien gibt es viel Wasserkraft. Dann kommt es entscheidend auf den großflächigen Ausbau des Verteilungsnetzes an, eine Aufgabe, die Eberhardt als EU-weite Aufgabe sieht. Da Wind, Sonne oder Wasser nicht gleichmäßig zur Verfügung stehen, müssen zudem ausreichende Speicherkapazitäten geschaffen werden. Hier nennt Eberhardt Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher.
Durch Aufspaltung von Wasser oder Umwandlung von CO2 ließen sich Wasserstoff und Kohlenwasserstoffe herstellen, die als chemische Brennstoffe zur Stromerzeugung oder als Treibstoff für Flugzeuge eingesetzt werden könnten. Zusätzliches CO2 käme dabei nicht in die Atmosphäre.
Die Biokraftstoffe von heute beurteilt Eberhardt kritisch. Ihre Produktion konkurriert mit der Erzeugung der Lebensmittelmengen, die für die Ernährung der Weltbevölkerung notwendig sind. Zudem wird bei der Erzeugung viel sauberes Wasser verbraucht, das ebenfalls weltweit knapp ist.
Künstliche Photosynthese & Dünnschichtsolarzellen
Diese Nachteile wären vermeidbar, gelänge es, Kraftstoffe direkt aus Sonnenlicht herzustellen. Verschiedene Ansätze in der Forschung gäbe es dafür: So könnten spezielle Algen gezüchtet werden, die Treibstoffe produzieren. Diese elegante Lösung hat die Natur mit der Photosynthese verwirklicht. Diesen Prozess technisch, mit stabiler und verbesserter Ausbeute nachzumachen, ist bisher noch nicht zufriedenstellend gelungen. Die Grundlagenforschung zur künstlichen Photosynthese wird zunehmend auch am HZB betrieben.
Neben der Herstellung solarer Brennstoffe erforschen die rund 200 Mitarbeiter auch die Optimierung von Photovoltaik-Modulen. Einfachere Herstellung, bessere Effizienz oder geringerer Verbrauch an Material und Energie sind wichtige Themen. „Wir sehen noch ein großes Potenzial bei den Dünnschichtsolarzellen“, erklärt Eberhardt. Lassen sich die Silizium-Wafer durch andere Materialien übertreffen? Die traditionellen kristallinen Scheiben haben einen Wirkungsgrad um die 20 Prozent. Solarzellen aus amorphem Silizium oder organische Absorber sind zwar hundert Mal dünner, sparen also viel Material und Kosten in der Herstellung, allerdings haben sie zurzeit nur einen halb so großen Wirkungsgrad. Als effizienter erweisen sich Dünnschichtmodule aus Kupfer-Indium- Sulfid (CIS) oder -Selenid mit einem Wirkungsgrad von etwa 15 Prozent.
Um den Technologietransfer aus der Spitzenforschung in die Industrie zu fördern, wurde 2007 gemeinsam mit der TU Berlin das „Kompetenzzentrum Dünnschicht- und Nanotechnologie für Photovoltaik Berlin“ (PVcomB) in Adlershof gegründet. Dessen Arbeit fördert das Forschungsministerium seit 2009 mit 12 Millionen Euro, das Land Berlin steuert 3 Millionen dazu.
Kein Wunder, dass das HZB bei jungen Chemikern, Physikern, Elektrotechnikern oder Ingenieuren gefragt ist. „Die Studenten lassen sich leicht für die Solarforschung begeistern“, sagt Eberhardt.
von Paul Janositz
Link: www.helmholtz-berlin.de