Süßer Schutz
Adlershofer Vaxxilon GmbH entwickelt Impfstoffe auf Zuckerbasis
„Impfen ist eine der effektivsten medizinischen Maßnahmen überhaupt“, sagt Tom Monroe, Geschäftsführer der Vaxxilon GmbH, deren Forschungsabteilung in Adlershof angesiedelt ist. In der Tat hat die Aktivierung der körpereigenen Abwehr durch Zufuhr abgeschwächter oder abgetöteter Erreger schon vielen Millionen Menschen das Leben gerettet. Dieser Erfolgsstory sollten neue Kapitel hinzugefügt werden, betont Monroe. Gegenwärtig gebe es insgesamt nur etwa 30 Impfstoffe, angesichts der vielen aktuellen Erreger seien Hunderte weitere nötig.
Impfstoffe zu entwickeln und zu produzieren, ist heute noch aufwendig und teuer. Meist werden in Zellkulturen gezüchtete oder abgetötete Bakterien verarbeitet. Entscheidend sind bestimmte Teile der bakteriellen Zellhülle, die aus Kohlenhydraten, hauptsächlich Zuckern, bestehen. Nach der Impfung muss sich das menschliche Immunsystem mit ihnen auseinandersetzen. Dabei bilden sich Antikörper, die bei einer realen Ansteckung den Erreger ausschalten.
Diese Zucker sind sehr komplex gebaut, haben vernetzte und gefaltete Strukturen, erklärt Claney Pereira, Leiter der aus neun Mitarbeitern, hauptsächlich Chemikern und Biologen, bestehenden Vaxxilon-Forschungsgruppe. Einige haben ebenso wie er schon am Max-Planck-Institut (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm die Zuckersynthese erforscht. Pionier auf diesem Gebiet ist Professor Peter Seeberger, Direktor am Potsdamer MPI. Im Jahr 2015 ist er zusammen mit dem Schweizer Biotechnologieunternehmen Actelion Mitbegründer des Start-ups Vaxxilon. Seeberger entwickelte einen Automaten, der Zuckerketten schnell und präzise synthetisieren kann. Damit ist man nicht mehr darauf angewiesen, Erreger zu züchten und Kohlenhydrate aus deren Zellhülle zu isolieren. Zudem wird die Entwicklung von Impfstoffen auch gegen Bakterien möglich, die nicht gezüchtet oder deren Zuckerketten nicht isoliert werden können.
Die Vaxxilon-Forscher machten sich daran, möglichst viele Impfstoffkandidaten zu identifizieren. Dann war es wichtig herauszufinden, welcher möglichst kleine Teil der Bakterienhülle die Immunität gegen den Erreger auslöst und diesen nachzubauen. An ein Trägerprotein geheftet, könnten die synthetischen Impfstoffe wirksam werden. Ob dies gelingt, muss zunächst an Kaninchen und Mäusen getestet werden.
In Absprache mit dem Paul-Ehrlich-Institut (Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) findet bereits eine Studie an Kaninchen mit einem von Vaxxilon entwickelten Impfstoff gegen eine besonders gefährliche Form der Lungenentzündung statt. Vom Erreger, dem Bakterium „Streptococcus pneumoniae“, existieren bis zu 30 pathogene Formen, gegen die es nur teilweise wirksame Impfstoffe gibt. Das Vaxxilon-Team hat das Streptococcus-Bakterium vom Serotyp ST3 ins Visier genommen. Der Test dient als Nagelprobe, ob das Verfahren generell funktioniert. Es muss sichergestellt sein, dass der Impfstoff in ausreichend großen Mengen produziert werden kann und in gelöster Form monatelang stabil und wirksam bleibt.
Läuft alles zufriedenstellend, steht ein Test für einen weiteren Impfstoff auf der Agenda. Es geht um das Bakterium „Haemophilus influenzae vom Typ b“ (Hib), das schwerwiegende bakterielle Infektionen vor allem bei Kleinkindern hervorrufen kann. Besonders kritisch ist die Situation in Entwicklungsländern, wo viele Kinder gar nicht geimpft werden.
„Das wäre der zweite Beweis, dass unsere Methode funktioniert“, sagt Monroe. Zudem überlegen die Vaxxilon-Experten, wie das voluminöse Trägerprotein gegen ein synthetisch hergestelltes kleineres Gebilde getauscht werden könnte. Nicht nur die Produktion des Impfstoffs wäre dann einfacher, auch die aufwendige Kühlung würde wegfallen. Durch dieses neue Trägermolekül wird das Immunsystem auf einem anderen Weg aktiviert. Das könnte dazu führen, dass insgesamt weniger Impfungen notwendig werden.
Schließlich nehmen die Vaxxilon-Forscher den äußerst gefährlichen Krankenhauskeim „Klebsiella pneumoniae“ ins Visier, der schon viele Todesopfer gefordert hat. Einen Impfstoff gibt es bisher nicht.
Von Paul Janositz für Adlershof Journal