Ultraschnelles Schalten mit Licht in korrelierten Materialien
Forschungsteam manipuliert die elektrische Widerstandsfähigkeit des Materials mit Licht – ein Weg für opto-elektronisches ultraschnelles Schalten in zukünftigen Mikroelektronik-Anwendungen
Materialien, die sich theoretisch nur schwierig beschreiben lassen, sind oft die faszinierendsten. Sie stellen Forscher:Innen vor große Herausforderungen, um ihr einzigartiges Verhalten zu verstehen, insbesondere wenn ihre Eigenschaften vielversprechend für technologische Anwendungen sind.
Forscher vom ARCNL in Amsterdam und MBI haben einen bahnbrechenden Durchbruch erzielt, indem sie einen eindeutigen Nachweis für einen photoinduzierten Isolator-Metall-Übergang (IMÜ) in einem stark korrelierten Material präsentierten. Mit Hilfe von zeitaufgelöster, nichtlinearer Spektroskopie untersuchte das Team den ultraschnellen IMÜ in polykristallinem NbO2. Das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Peter Kraus am ARCNL hat kürzlich einige der Geheimnisse eines sogenannten korrelierten Materials gelüftet und somit einen Weg gefunden, seine elektrische Widerstandsfähigkeit mit Licht zu manipulieren. Dies ebnet den Weg für opto-elektronisches ultraschnelles Schalten in zukünftigen Mikroelektronik-Anwendungen. Die Studie wurde kürzlich in Physical Review Letters veröffentlicht.
In stark korrelierten Materialien führt die Wechselwirkung der Elektronen innerhalb des Materials zu unerwarteten Eigenschaften. Die Theorie sagt vorher, dass stark korrelierte Oxide leitfähig wie Metalle sein sollten. Tatsächlich verhalten sie sich jedoch die meiste Zeit wie Isolatoren. Wenn sie über eine materialabhängige Übergangstemperatur erhitzt werden, unterziehen sich solche Materialien einem Phasenübergang und werden leitfähig. Ein solcher Übergang kann auch durch einen starken Lichtimpuls induziert werden, der zu einer elektronischen Anregung führt, die die Elektronenwechselwirkung im Inneren des Materials schwächt. Obwohl die Eigenschaften stark korrelierter Materialien nicht vollständig verstanden sind, macht ihr Schaltverhalten sie für die Halbleiterindustrie interessant, da Oxid-Elektronik potenziell den Energieverbrauch der Industrie signifikant reduzieren könnte.
Der aktuelle Standard, um sehr kleine Strukturen mit Licht zu untersuchen, besteht darin, eine sehr kurze Wellenlänge zu verwenden, die kleiner ist als die relevanten Abmessungen in der Probe. Solche ultrakurzen Wellenlängen werden in einem Prozess namens "Erzeugung hoher Harmonischer" erhalten, ein Thema, für das kürzlich der Nobelpreis verliehen wurde. Bei diesem Prozess wird ein Lichtimpuls mit einer längeren Wellenlänge in ein Gas oder einen Festkörper fokussiert, wo eine nichtlineare Wechselwirkung zur Erzeugung neuer Laserfrequenzen führt, die kürzeren Wellenlängen entsprechen. Diese hohen Harmonischen können weiter für die Spektroskopie von Ladungsträgerdynamik oder Nanostrukturen verwendet werden.
In ihren Experimenten nutzten Z. Nie und Kollegen einen Anregungs-Laserimpuls, um den Isolator-Metall-Übergang in einer dünnen Schicht NbO2 zu induzieren, und charakterisierten zeitgleich die hohen Harmonischen, die durch einen langwelligen Abfrage-Laserimpuls erzeugt wurden. Die Emissionsstärke der harmonischen Ordnungen wies eine abrupte Unterdrückung auf, wenn sich beide Laserimpulse räumlich und zeitlich in der stark korrelierten Probe überlappten, was ein Anzeichen für das nichtthermische Induzieren einer metallischen Phase mit einer erstaunlich kurzen Zeitspanne von 100 ± 20 fs darstellt. Die Ergebnisse belegen die Fähigkeit der extremen nichtlinearen Optik und zeigen die Empfindlichkeit und zeitliche Auflösung der hohen Harmonischen für komplexe Änderungen sowohl in der elektronischen Konfiguration als auch in der Gitterstruktur.
Die experimentellen Ergebnisse, unterstützt durch Ab-initio-Simulationen, heben die Bedeutung von Vielteilchen-Wechselwirkungen in stark korrelierten Oxiden hervor. Die beschriebene Untersuchung von Phasenübergängen und nichtthermischen Dynamiken in Festkörpern bietet neue Perspektiven für die optoelektronische Manipulation von Materialien im ultraschnellen Zeitbereich, wie in der Mikroelektronik erforderlich.
Diese Studie trägt nicht nur dazu bei, das Verständnis von lichtgetriebenen stark korrelierten Materialien voranzubringen, sondern positioniert stark korrelierte Oxide auch als erstklassige Kandidaten für optische Schaltungen und Steuerungen. Die Verwendung von korrelierten Materialien in zukünftigen Computern hat das Potenzial, den ökologischen Fußabdruck der Halbleiterindustrie erheblich zu reduzieren, da wesentlich weniger Energie als bei der aktuellen Technologie benötigt wird. Darüber hinaus verspricht die gezeigte Methode des optischen Schaltens Fortschritte in den Bereichen der neuromorphen Technik und künstlichen Intelligenz, da elektronische Elemente, die auf Phasenübergängen basieren nichtlineare Reaktionen zeigen und somit potentiell neuronale Netzwerke nachahmen können.
Publikation:
Following the Nonthermal Phase Transition in Niobium Dioxide by Time-Resolved Harmonic Spectroscopy
Z. Nie, L. Guery, E.B. Molinero, P. Juergens, T.J. van den Hooven, Y. Wang, A. Jimenez Galan, P.C.M. Planken, R.E.F. Silva, P.M. Kraus
Phys. Rev. Lett. 131, 243201 (2023)
Kontakt:
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
Dr. Peter Juergens-Goltermann
+49 30 6392-1218
peter.juergens(at)mbi-berlin.de
mbi-berlin.de
Pressemitteilung MBI vom 12.03.2024