Vom Geflüchteten zum Webentwickler
„Devugees“, eine Ausgründung der HU, ermöglicht Geflüchteten eine Ausbildung zum Webentwickler
Für Dihab Altinawie ist es die große Chance, in Berlin einen guten Job zu bekommen. Der syrische Elektroingenieur lebt seit einem Jahr in Deutschland, geflohen aus seinem Land, in dem der Krieg immer brutaler tobt. Seine Familie ist noch dort, der 48-jährige hat Frau und Kinder. Seit drei Wochen macht er eine Ausbildung im Digital Career Institute zum Webentwickler und hofft, dass er seine Familie bald nachholen kann. „Ich hatte nicht geplant, nach Deutschland zu kommen“, sagt er auf Englisch. In seinem Alter ist es hart, noch einmal ganz von vorn zu beginnen und eine völlig unbekannte Sprache zu lernen. „Es ist eine große Herausforderung“, sagt er, „aber ich muss ja überleben.“
Das Digital Career Institute ist eine Ausgründung der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Sieben Absolventen aus Fachbereichen wie Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftspädagogik, Sozialpädagogik oder Sozialwissenschaften sowie Freelancer aus der Berliner Startup-Szene haben mit ihrem Programm namens „Devugees“ – einer Wortverbindung aus Refugees und Developer – ein Fort- und Weiterbildungsprogramm entwickelt, in dem aus Krisengebieten Geflüchtete zu Webentwicklern ausgebildet werden.
„Es gibt viele Geflüchtete mit Potenzial für diese Ausbildung“
„Unser Ziel ist es, diese Menschen für Karrieren im 21. Jahrhundert fit zu machen“, sagt Stephan Bayer, einer der sieben Institutsgründer. „Als erfahrene Gründer haben wir uns überlegt, wie wir die Situation der Geflüchteten verbessern können“, sagt Bayer. „Da wir die Internetbranche in Berlin sehr gut kennen, wissen wir, dass dort Programmierer und Webentwickler händeringend gesucht werden. Und wir wissen, dass es viele Geflüchtete mit Potenzial für diese Aufgabe gibt.“
Ein Hochschulabschluss ist dafür nicht notwendig, innerhalb eines Jahres können die benötigten Skills erlernt werden. „Damit wir unsere Teilnehmer ganz gezielt für den Bedarf ausbilden können, haben wir Vertreter der Berliner Internetunternehmen gefragt, was jemand können muss, den sie einstellen würden“, so Bayer. „Daraufhin haben wir einen Lehrplan entwickelt, der die neuesten Kenntnisse und Methoden der Webentwicklung enthält.“ Neben der aktuellen Technologie lernen die Schüler Business Deutsch und Business Englisch.
Die erste Klasse mit zehn Schülern aus Afghanistan, Syrien, Pakistan und Nordafrika wird seit drei Wochen in den Räumen des Gründerhauses Adlershof unterrichtet, die von der HU zur Verfügung gestellt werden. Bislang sind nur Männer in dem Kurs, aber im nächsten, der in einigen Monaten starten soll, werden auch Frauen unterrichtet.
Schüler treffen auf Mentoren von potenziellen Arbeitgebern
„Unsere Teilnehmer freuen sich sehr, dass sie eine Chance auf einen Zukunftsberuf bekommen“, sagt Bayer. Auf den meisten Geflüchteten lastet ein großer wirtschaftlicher Druck, da sie ihren Lebensunterhalt bestreiten und dazu noch die Daheimgebliebenen unterstützen müssen. „Deshalb sind unsere Schüler sehr motiviert“, so Bayer. Um den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern, treffen sich die einzelnen Teilnehmer ein Mal pro Woche mit einem „Buddy“, einem Mitarbeiter eines der Internetunternehmen, in dem sie nach Abschluss der Ausbildung arbeiten wollen. Darüber hinaus besucht die Klasse die Unternehmen regelmäßig.
Finanziert wird die Ausbildung über Spenden und mit privatem Geld. Derzeit wird öffentliche Förderung für die Ausbildung beantragt. Sobald die Absolventen an die Unternehmen vermittelt wurden, sollen diese einen gewissen Betrag für die Ausbildung ihres neuen Mitarbeiters an das Digital Career Institute entrichten. Sieht ganz so aus, als könne Dihab Altinawie seine Familie mit Hilfe von „Devugees“ in absehbarer Zeit aus dem Kriegsgebiet retten.
Autor: Harald Olkus (HU Berlin)