Wärme aus der Tiefe
BTB verfolgt Speicherprojekt zur nachhaltigeren Energieversorgung Berlins
In einem deutschlandweit bislang einzigartigen Pilotprojekt will der Energieversorger BTB GmbH künftig klimaschonende Fernwärme durch einen saisonalen Tiefenspeicher gewinnen. Erkundungsbohrungen des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam GFZ hatten die dafür notwendigen tiefen salzhaltigen Grundwasserleiter (Aquifere) auf dem Adlershofer Gelände der BTB ausfindig gemacht.
Das Prinzip klingt so einfach wie smart: Im Sommer wird erneuerbare Wärme und überschüssige Abwärme einmal in die Erde eingespeist, indem Grundwasser herausgezogen, erwärmt und wieder eingeführt wird. Im Winter kann das heiße Wasser entnommen und so tausenden Haushalten und Unternehmen zum Heizen zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis ist viel Forschungsarbeit nötig, damit dieser weitere Schritt zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung der Stadt getan werden kann – was erklärtes Ziel der BTB GmbH ist, die dafür nach und nach ihre Anlagen mit modernsten Technologien umrüstet und bis 2040 aus fossilen Energien ausgestiegen sein will.
Die Idee der Einbindung eines Aquiferwärmespeichers (ATES Aquifer Thermal Energy Storage) in das BTB-Fernwärmenetz wurde bereits 2016 zwischen dem Bereichsleiter Energiewirtschaft + Innovationen, Johannes Hinrichsen, und dem GFZ-Wissenschaftler, Ali Saadat, geboren. Als beide darüber nachdachten, ob sich geeignete Aquifere unter Adlershof finden lassen könnten, war das noch „nice to have“, so BTB-Projektleiterin Stefanie Dedeyne. Zum Start von „GeoFern“ 2019 fast schon glückliche Fügung, denn die Zeichen der Klimakrise wurden bereits mehr als deutlich. Ein Betrieb von Wärmespeichern wäre eine wertvolle Alternative zum klimaschädlichen Heizen mit Erdgas, da es im urbanen Raum einen Mangel an erneuerbaren Wärmequellen im Winter gibt. Gleichzeitig könnten Kapazitäten, die ganzjährig zur Verfügung stehen (durch Abwärme oder Tiefengeothermie) oder im Sommer ihre Spitzenerzeugung erreichen (Solarthermie), aber wegen des geringen Wärmebedarfs nicht abgenommen werden, sozusagen für später „aufbewahrt“ werden.
Exakte Erkenntnisse sollten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Erkundungsbohrungen liefern, die im Herbst 2021 vom Potsdamer GFZ auf dem Gelände der BTB durchgeführt wurden. Geologische Modelle der zu erwartenden Schichten in 650 Metern Tiefe existierten bereits. „Unterirdisch ist Berlin von Gebirgen geprägt. Es gibt allerdings nur an vereinzelten Stellen in und um Berlin Bohrungen bis in die Tiefe. Durch Verwerfungen im Untergrund hätte es sein können, dass die Modelle nicht mit der Realität übereinstimmen“, sagt Dedeyne. Gewissheit über die Existenz ausreichend mächtiger Sandsteinschichten aus dem Jura, die sich in etwa 400 Metern Tiefe befinden und über den für Speicherzwecke notwendigen Wasseranteil verfügen, brachten schließlich Bohrkerne, die anschließend mineralogisch-geochemisch untersucht wurden. Ein erster wichtiger Erfolg. Genauso wie die erfreuliche Akzeptanz der BTB-Aktivitäten durch die Adlershofer Technologieparknachbarn mit zum Teil hochsensibler Messtechnik. „Aber“, beruhigt die 32-jährige Projektleiterin, „die Bohrungen sind vergleichbar mit Erschütterungen, die ‚normale‘ Baustellen hervorrufen.“
Was die Versorgung einzelner Gebäudekomplexe und die Einspeicherung von Wärme auf niedrigem Temperaturniveau bis zu 70 °C betrifft, werden Aquifer-Wärmespeicher bereits genutzt. Doch das Vorhaben der BTB soll andere Dimensionen erreichen: 30.000 Megawattstunden gespeicherte Wärmemenge – das 250-Fache der derzeitigen Speicheranlagen in Adlershof.
Dedeyne erzählt von den zahlreichen Unbekannten, die es noch gibt: „Wir wollen möglichst heißes Wasser einspeichern (95 °C und mehr) und da gibt es noch keine Referenzbeispiele. Wir wissen also noch nicht, wie sich die hohen Temperaturen auf das poröse Speichergestein auswirken. Vielleicht gibt es Ablagerungen, die die Poren des Speichergesteins zusetzen. Außerdem passieren wir bei den Bohrungen Trinkwasserleiter. Hier muss ausgeschlossen sein, dass diese verunreinigt werden oder die Temperatur beeinflusst wird.“ Weitere Forschungen sollen prognostizieren, wann der optimale Zeitpunkt zum Beladen ist und wann idealerweise das Wasser wieder entnommen werden sollte. Aktuell geht das Projektteam in die technische Vorplanung und Beantragung des Speichers und akquiriert weitere Forschungsgelder. Ziel ist die Inbetriebnahme 2025.
Peggy Mory für Adlershof Journal