Wasserstoff – aber sicher!
Das Graduiertenkolleg „Trustworthy Hydrogen“ von BAM und BTU widmet sich der Ausbildung von Fachleuten für einen sicheren Übergang in die Wasserstoffwirtschaft
Es ist eine zentrale Achse im Innovationskorridor Berlin-Lausitz: Hundert Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem Campus der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin Steglitz und der Graduate Research School der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Dazwischen, inmitten eines riesigen Waldgebiets bei Baruth/Mark, betreibt die BAM ihr Testgelände für Technische Sicherheit in Horstwalde. Es liegt im Korridor – der Schlenker dorthin verlängert die Luftlinie um kaum zehn Kilometer.
Für die ersten sieben Doktorandinnen und Doktoranden des neuen Graduiertenkollegs „Trustworthy Hydrogen“ führt die Achse Steglitz – Horstwalde – Cottbus geradewegs in die Zukunft. Denn die BAM und die BTU haben in dem Kolleg nicht nur ihr geballtes Know-how rund um einen sicheren Umgang mit dem Energieträger Wasserstoff zusammengetragen, sondern sie öffnen den Teilnehmenden auch ihre technische Infrastruktur. Labors an der BTU und den BAM-Standorten in Steglitz und Adlershof und das besagte Testgelände.
Das Graduiertenkolleg ist ein wichtiger Baustein für eine rundum sichere Wasserstoffära. Es geht um den vertrauenswürdigen Umgang mit dem äußerst reaktionsfreudigen Energieträger, dessen winzige Atome jedes noch so klein Leck nutzen, um sich zu verflüchtigen. Um ihn in unterirdischen Kavernen, auf Schiffen oder in Fahrzeugtanks transportieren und speichern zu können, oder Elektrolyse gleich in Windparks durchzuführen, müssen die Systeme absolut dicht halten. Gleiches gilt für Leitungen und Armaturen der Wasserstoffinfrastruktur, angefangen bei den Elektrolyseuren, über die Transporte und Speicherung bis zum Einsatz.
Genau daran forschen die BAM und die BTU seit vielen Jahren gemeinsam, interdisziplinär und global vernetzt. Was in dieser Forschung an Know-how erarbeitet wurde, gilt es nun schnellstmöglich in die Märkte zu transferieren. Spätestens seit der Abkehr vom russischen Erdgas ist klar, dass Wasserstoff das Mittel der Wahl sein wird, um Wind- und Solarstrom speichern und aus aller Welt importieren zu können. Doch um diese Transformation im globalen Maßstab umsetzen zu können, braucht es Köpfe: Hochqualifizierte Fachleute, denen es in Zukunft obliegen wird, den vertrauenswürdigen Umgang mit Wasserstoff auf technischer, administrativer, normativer und regulatorischer Ebene sicherzustellen. Sicherheit ist ein Querschnittsthema entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Darum nimmt auch das Graduiertenkolleg die Gesamtkette inklusive Rahmenbedingungen, Sicherheitsstandards, Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz, Wissenschaftskommunikation oder Politikberatung in den Blick.
Katrin Patzelt, BAM-Expertin für die Sicherheit von Energieträgern, und Robert Rode, Geschäftsführer der Cottbusser Graduate Research School, koordinieren den Ausbildungsgang. „Neben den ersten sieben Doktorandinnen und Doktoranden nehmen auch Mitglieder teil, die ebenfalls an der BAM und BTU zu Wasserstoffthemen promovieren, aber schon vor dem Start des Kollegs damit begonnen hatten“, erklärt sie. Gemeinsam lernen alle nun die Institute, Labore und das Testgelände kennen. Jene Orte also, an denen sie ihre Forschung durchführen und ihr Wissen vertiefen werden. „Ein Fokus liegt auf der Kommunikation und Vernetzung“, sagt Patzelt. Da Teilnehmende aus Bangladesch, Marokko und Iran vertreten sind, sprechen alle Englisch. Vor allem aber teilen sie das Interesse am Aufbau der postfossilen Wirtschaft. Weil dieses globale Projekt nur in Teamwork zu bewältigen sein wird, sollen sie sich über ihre Forschungen auf dem Laufenden halten, gemeinsam Lösungsansätze diskutieren und bei Versuchen gegenseitig über die Schulter schauen. Gelebte Interdisziplinarität, damit Gräben zwischen chemischen, physikalischen, material- oder geistes- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen erst gar nicht entstehen.
Laut Patzelt haben sich die Doktorandinnen und Doktoranden zum Auftakt ihre Vorhaben vorgestellt. „Dabei haben sich angeregte Diskussionen und viele Schnittmengen und Überschneidungen zwischen den Projekten ergeben“, berichtet sie. Der Funke der Kooperation ist also übergesprungen. Doch von nun an müssen die Wasserstoff-Fachleute der Zukunft all ihr Wissen und Können darauf verwenden, Funken von ihrem Forschungsobjekt fernzuhalten. Denn jedes Schulkind lernt, was ein Funke schon an einem Luftballon voll Wasserstoff bewirkt. Nachhaltig erfolgreich wird die Wasserstoffwirtschaft nur dann sein, wenn die Sicherheit gewährleistet ist. Genau dafür erwerben die angehenden Fach- und Führungskräfte im Kolleg geballtes Prozess-, Material- und Sensorik-Know-how.
Von Peter Trechow für POTENZIAL