Am Puls der Zeit
Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung hilft auch Innovationen marktreif zu machen
Das Backsteingebäude „Unter den Eichen 87“ strahlt Geschichte aus. Massiv demonstriert es in Berlin-Lichterfelde seinen Status als renommierte staatliche Institution. „Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)“ steht in großen Lettern über dem Eingang. Die Geschichte geht 150 Jahre zurück in die Zeit der industriellen Revolution, als Brücken und Fabrikgebäude aus Beton und Stahl gebaut, Druckkessel konstruiert und große Schienennetze entwickelt wurden für Züge, die bald elektrisch fuhren.
„Es kam dabei immer wieder zu Unfällen und es wurde immer dringender, wissenschaftliche Versuche zur Materialprüfung durchzuführen. Zudem war eine kompetente Instanz erforderlich, die Erfindungen auf ihre Zuverlässigkeit überprüfen konnte“, erzählt Oliver Perzborn, Referatsleiter für Kommunikation und Marketing bei der BAM. Aus den anfangs in Schuppen und Kellern untergebrachten Experimentierstätten entwickelte sich das Königlich-Preußische und dann das Staatliche Materialprüfungsamt (MPA). Zunächst in Charlottenburg untergebracht, konnte Anfang des letzten Jahrhunderts der heutige Stammsitz in Lichterfelde bezogen werden. Nach der Gründung der Bundesrepublik entstand daraus in den 1950er Jahren die „Bundesanstalt für mechanische und chemische Materialprüfung“, die seit 1987 den heutigen Namen trägt. Mittlerweile gibt es Zweiggelände in der Dahlemer Fabeckstraße sowie in Adlershof. Im brandenburgischen Horstwalde befindet sich zusätzlich ein Testgelände zur Technischen Sicherheit, auf dem Untersuchungen zu Wasserstoff, Brandprüfungen, Fallversuche und Sprengungen stattfinden.
Die diversen Standorte unterstreichen die vielfältigen Aufgaben der BAM, die sich in die Themenfelder Energie, Infrastruktur, Umwelt, Material sowie Chemie und Prozesstechnik aufteilen. „Wir prüfen nicht nur, wir forschen auch und versuchen Innovationen voranzubringen. Dabei kommt es immer wieder zu Ausgründungen“, erklärt Perzborn.
Als aktuelles Beispiel nennt er die True Detection Systems GmbH (TDS), die in Adlershof einen mobilen Detektor entwickelt, mit dem Sprengstoffe zuverlässig aufgespürt werden können. Bisher sind dafür etwa auf Flughäfen meistens fest eingebaute Apparate zuständig. Die wenigen auf dem Markt erhältlichen mobilen Typen seien sehr schwer und sehr aufwendig bei Wartung und Reinigung, sagt Mustafa Biyikal, Experte für chemische Sensoren an der BAM. Zudem existierten – teilweise wegen radioaktiver Quellen – sehr komplexe Sicherheitsbestimmungen. Mit Unterstützung seiner drei TDS-Kollegen möchte Biyikal nun einen mobilen Sprengstoffdetektor zur Marktreife bringen, der lediglich 1,3 Kilogramm auf die Waage bringt. „Die Ausgründung der TDS ist ein Beispiel für anwendungsnahe Forschung und einen erfolgreichen Technologietransfer von der Wissenschaft in die Praxis“, sagt BAM-Präsident Ulrich Panne.
Ebenfalls in Adlershof sind Mitarbeitende des Kompetenzzentrums Wind@BAM angesiedelt. Dort werden Verfahren entwickelt, um mit einer Wärmebildkamera Schadstellen an Rotorblättern von Windrädern frühzeitig entdecken zu können. Bisher müssen dafür Spezialisten hochklettern, was teuer und mit Ausfallzeiten verbunden ist. Beim neuen BAM-Verfahren kann man vom Boden aus oder mit einer Drohne Bilder aufnehmen, diese mit künstlicher Intelligenz auswerten und gegebenenfalls eingreifen, bevor Schäden entstehen.
Die heutige BAM hat seit ihrer Neugründung in den 1950er Jahren auch den Auftrag, die deutsche Wirtschaft zu fördern. Das wird beispielsweise im Bereich des 3-D-Drucks erfüllt, den die Industrie mittlerweile auch im Maschinen- und Anlagenbau einsetzt. Damit lässt sich nicht nur kostengünstig produzieren, auch sicherheitsrelevante Bauteile lassen sich herstellen. Jedoch sollte bereits während des 3-D-Drucks geprüft werden, ob es Fehler gibt. Für die Entwicklung solcher Verfahren haben mittelständische Anbieter keine wirtschaftlich ausreichenden Kapazitäten und Expertise. Die BAM entwickelt in ihrem Kompetenzzentrum Additive Fertigung mehrere Sensorverfahren, mit dem sich bereits während des Druckprozesses feststellen lässt, ob alles richtig läuft.
Neue Mitarbeitende für all diese wissenschaftlich anspruchsvollen Projekte zu finden, sei nicht immer einfach, sagt Perzborn. Zugute kommen der BAM hierbei ihr guter Ruf als wissenschaftlich-technische Ressortforschungseinrichtung des Bundes mit attraktiven Arbeitsbedingungen und der interdisziplinäre Ansatz, der ganz unterschiedliche, an der BAM tätige Expert:innen miteinander verknüpft. Internationalen Fachkräften erleichtert das Welcome-Center den Einstieg. Es gibt Hilfe bei der Wohnungssuche und beim Umgang mit Behörden.
Junge Menschen motiviert insbesondere die Möglichkeit, sich an der BAM mit gesellschaftlich wichtigen Fragen wie dem Klimawandel und anderen Zukunftsthemen beschäftigen zu können. Etwa die Energiegewinnung mit Wasserstoff oder Windkraft auszubauen und Lösungen auf große gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Dazu gehören neben nachhaltiger Energie auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. Hier kann an großen Problemen – auch als Great Challenges bezeichnet – mitgearbeitet werden. Beispielsweise: Wie können Nanowerkstoffe schnell in die Anwendung gebracht werden?
Fest steht: Bei der BAM wird tatsächlich am Puls der Zeit gearbeitet.
Dr. Paul Janositz für POTENZIAL
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