Wissenschaft mit Witz
Ein Blick durch die angelsächsische Brille
Deutsche und Humor, Wissenschaft und Witz – Dinge, die sich ausschließen? Wie sehen andere uns? Darf seriöse Forschung auch mit Leichtigkeit vermittelt werden? Warum werden Amerikaner und Engländer witziger als Deutsche wahrgenommen? Wir haben bei ihnen nachgefragt und erstaunliche Antworten erhalten. Unser Mitarbeiter Chris Löwer hat sie protokolliert.
Ted Masselink, Professor für Experimentelle Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin, geboren in Fargo, North Dakota
Eigentlich wundert es mich nicht, dass sich auf der Liste der kürzesten Bücher der Welt auch eines über deutschen Humor wiederfindet. Deutsche sind einfach nicht so richtig für ihren Humor bekannt. Typisch für deutschen Witz ist das Kabarett, was ich aber nicht so mag, weil es oft albern ist, sarkastisch oder vor Insider-Jokes strotzt. Amerikaner und Engländer finde ich zwar witziger, aber man muss sagen, dass sich durch die globale Unterhaltungsindustrie der Humor immer weiter angleicht: Überall auf der Welt wird über die gleichen Sitcoms, Comedys und YouTube-Videos gelacht. Das ebnet etwaige Unterschiede ein.
Eine Sonderrolle spielen Wissenschaftler, deren Scherze oft auf ihre eigenen Kosten gehen. Wie etwa der: Bei seinem ersten Date mit einer Frau erzählt ein Physiker die ganze Zeit über sich und seine Arbeit. Irgendwann merkt er das endlich und sagt: ‚So, jetzt habe ich genug über mich geredet. Lass‘ uns über dich sprechen. Was hältst Du eigentlich von meinen letzten Publikationen?‘ Dieser selbstironische und entspannte Wissenschaftlerwitz findet sich bei Amerikanern wie bei Deutschen. Das hilft auch, wenn schwierige Inhalte vermittelt werden sollen. Etwa in Vorlesungen. Humor macht vieles eingängiger und sorgt dafür, dass Studenten eher involviert sind – und nur so lernen sie gut.
Ich selber habe, so wird mir gesagt, einen trockenen Humor. Das führt allerdings dazu, dass meine Scherze oft ernst genommen werden, was zu ziemlichen Missverständnissen führen kann.
Anton J. Nagy, Geschäftsführer ILS-Integrated Lab Solutions GmbH, geboren in Chicago
Deutscher Humor ist eher verkopft und weniger sarkastisch. Manchmal bemerke ich erst mit einer Zeitverzögerung von 10 bis 30 Sekunden – je nachdem, wie viel Weißbier ich getrunken habe –, dass ein Deutscher einen Witz gemacht hat. Amerikanischer Humor ist oberflächlicher und geht gern auch mal auf Kosten anderer.
Generell hat, wie mir scheint, Humor für Deutsche in der Wissenschaft nicht gerade einen festen Platz. Das zeigt allein schon die außerordentlich hohe Zahl an akademischen Titeln, mit denen Namen geschmückt werden: Ein Prof. Dr. rer. nat. habil. ist nicht ungewöhnlich, egal, wie sperrig das den Namen macht. Aber es wird darauf bestanden! Unvorteilhafterweise finde ich, dass deutsche Forscher, vor allem aus der Industrie, zuweilen eine sehr ernste Arbeitseinstellung haben. Dabei wäre etwas mehr Humor und Leichtigkeit für alle Beteiligten deutlich angenehmer. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Großbritannien liebe. Denn es ist hilfreich, komplexe wissenschaftliche Inhalte mit Witz zu präsentieren. Sich in einem dunklen Raum PowerPoint-Präsentationen anzusehen kann manchmal mühsam sein – unabhängig davon, wie brillant sie sind. Da ist es schon nützlich, wenn jemand die Folien mit feinem Humor präsentiert – das hilft ungemein, aufmerksam zu bleiben und hält einem vor Augen, dass bei aller Ernsthaftigkeit Wissenschaft Spaß macht.
Wie es läuft, bringt gut ein Spruch auf den Punkt, den ich während meiner fünfjährigen Arbeit in den Niederlanden aufgeschnappt habe. Er geht so: „Meten is Weten … en Pizza eten”. Das heißt so viel wie: „Messen ist Wissen ... und Pizza essen.“ Das trifft den Forscheralltag ganz gut: Es geht darum, erst etwas zu wissen, wenn man es (möglichst mehrmals) gemessen hat. Das wiederum ist mit langen Stunden im Labor verbunden … während man sich oft genug spätabends schlechte Pizza an den Arbeitsplatz liefern lässt.
Paul Crump, PhD, Abteilung Optoelektronik, Ferdinand-Braun-Institut (FBH) Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik, geboren in Chatham (südlich von London)
Drei Wissenschaftler besprechen sich im Labor. Ein Amerikaner, ein Deutscher und ein Engländer. Sagt der Amerikaner: „Unsere Ergebnisse sind spitze, vielleicht lässt sich daraus etwas Tolles machen. Ich würde sagen, das Glas ist halb voll!“ Der Deutsche: „Hm, ich weiß nicht. Es ist irgendwie nicht so gut gelaufen. Ich würde sagen, das Glas ist halb leer.“ Darauf der Brite: „Gläser gibt es, um daraus Bier zu trinken – warum stehen wir hier noch im Labor?!“
Dieser Witz hat etwas Wahres, wenn man nach den Unterschieden im Humor von Wissenschaftlern fragt. Ich selber komme aus England, habe lange in den USA gearbeitet und bin jetzt seit sieben Jahren am FBH. Es stimmt schon: Bei der Arbeit sind Amerikaner und Deutsche ernster als Briten und Deutsche pessimistischer als Amerikaner und weniger locker als Briten. Und was ihren Humor anbelangt, sind Engländer in Sachen Sarkasmus absolute Weltspitze. Aber: In allen drei Kulturen wird herzlich über blöde Scherze, Kollegen oder Comics wie Dilbert gelacht. Was auch für alle gilt, ist, dass Wissenschaftler alle Enthusiasten sind – was den Humor etwas bremsen kann. Dabei ist er in der Forschung und überhaupt in der ganzen Arbeitswelt wichtig, damit es nicht zu ernst wird oder der Spaß auf der Strecke bleibt.
Außerdem ist Witz ein guter Trick, um komplexe Sachverhalte möglichst verständlich zu vermitteln. In dieser Hinsicht perfekt ist übrigens der Adlershofer Science Slam.
Dr. Kevin Sparks, Director Advanced Technology Corning Optical Communications Hickory Manufacturing and Technology Center, Hickory, NC, U.S.A.
Als ich neulich bei Corning in Adlershof war, stieß ich auf eine ausgelassene Gruppe junger Ingenieure, die offensichtlich großen Spaß hatte. Als sie mich sahen, sagte einer: „Oh, da kommt Kevin, sollten wir uns da nicht besser benehmen?” Darauf ein anderer: „Ach Quatsch, Kevin hat doch Humor!”
Dass Deutsche keinen Humor haben, kann man wirklich nicht sagen. Allerdings ist die deutsche und amerikanische Kultur ein wenig verschieden: In Amerika tendieren wir dazu, Autoritätspersonen skeptisch zu beäugen. Das ist wohl Teil unserer überlieferten Befreiungsgeschichte von englischer (Vor)Herrschaft. Unabhängigkeit ist für Amerikaner ein hohes Gut – und das zeigt sich auch in unserem Humor. Für andere mag der etwas respektlos rüberkommen.
Deutscher Humor ist das Gegenteil davon – eher trocken, subtil, harmloser. Kürzlich fragte mich zum Beispiel ein Beamter am Security Check des Flughafens, ob ich überhaupt Deutsch spreche? Ich verneinte. Seine Antwort: „Tja, tut mir leid, dann kommen Sie nicht nach Deutschland rein. Eintritt nur für Muttersprachler!“ Ich wusste, dass er scherzte und, fand das lustig. Mein Konter: „Okay, dann lerne ich Deutsch und komme in zwei Jahren wieder.“
Sehr viel trockener geht es mitunter in der Wissenschaft zu: Für viele Forscher und Ingenieure ist sie eine ernste Sache, was andere Leute etwas irritiert. Zwischen deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern sehe ich in dieser Hinsicht keine Unterschiede. Uns verbindet die Wissenschaftsgeschichte – auf meinem Feld etwa stammen wesentliche Beiträge von Deutschen wie Einstein, Heisenberg und Hertz. Gleichzeitig bemerke ich, wie sich bei der jüngeren Generation ein Wandel vollzieht, hin zu mehr Humor und Leichtigkeit bei der Arbeit – und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks. Das finde ich sehr gut, auch wenn die ältere Generation damit möglicherweise Probleme hat.
Was die meisten Leute wenig nachvollziehen können ist, wie Wissenschaftler arbeiten und dass wir technische Herausforderungen lieben. Deshalb machen wir selbst Witze über uns, die sich darum drehen, wie wenig uns andere verstehen. Ich finde es gut, wenn Fernsehsendungen wie „The Big Bang Theory“ spaßig vermitteln, wie sonderbar und kauzig Forscher sein können. Aber das zeigt den Menschen auch, wie viel Spaß wissenschaftliches Arbeiten bereitet. Ein Meister darin ist der US-amerikanische Kosmologe Neil deGrasse Tyson, der auf leichte und witzige Art einem breiten Publikum Astrophysik erklärt.
Mein Lieblingswitz? Der geht so: Ein Wissenschaftler versucht seinem Geschäftsfreund zu erklären, dass seine Idee für ein neues Produkt nie funktionieren kann, wenn sie die Gesetze der Physik bricht. Da sagt der Businessmann: „Aber Regeln wurden doch gemacht, um gebrochen zu werden!”
Von Chris Löwer für Adlershof Journal