Mit Leidenschaft
Anton Nagy baut Testanlagen für Chemiekunden und ist von Berlin begeistert
Das Berlin der 1990er Jahre: „der Hammer“. Seine damalige erfolgreiche Bewerbung als Doktorand am Fritz-Haber-Institut, das kollegiale Miteinander, das er dort vorfand: „der Hammer“. Der neue Standort seiner Firma in der Adlershofer Barbara-McClintock-Straße: „eine Hammerhalle“. Wer Anton Nagy begegnet, erlebt einen Menschen, der sich für vieles begeistern kann. Für Punk und Techno: „Ich bin mindestens einmal im Monat im Berghain.“ Für die Berliner Philharmoniker: „Ich liebe Musik.“ Für gutes Essen: „Ich koche leidenschaftlich.“ Für das Grün und die Gewässer des Berliner Umlandes. Nicht zuletzt für seine Wissenschaft, die ihn als Unternehmer ernährt, die technische Chemie.
Nagy ist Geschäftsführer und zu 55 Prozent Eigentümer der Firma Integrated Lab Solutions (ILS). Sie produziert mit 30 Beschäftigten passgenaue Versuchsanlagen für Kunden aus Chemie, Petrochemie und Pharmazie. Testgeräte für Abgas- und Schadstoffmessungen, für Energiespeicher, umweltverträgliche Technologie sind die Spezialität des Unternehmens.
Angefangen hat Nagy 2003 in einem Gemeinschaftsbüro hinter einer Moschee am Kottbuser Tor, wo der Schreibtisch für 80 Euro zu mieten war, mit einem türkischen Steuerberater, einem türkischen Familienberater, einer Internetfirma als Nachbarn und mit 50.000 Euro Startkapital – Geld, das die kroatische Oma als Putzfrau in Chicago zusammengespart hatte. Nagy arbeitete zunächst allein, entwarf seine Anlagen, kümmerte sich um den Vertrieb. Produzieren ließ er in der Schweiz und den Niederlanden. Vom Kottbuser Tor – „da wurde ständig eingebrochen“ – ging es in die Kreuzberger Oranienstraße. 2013 weckte ein neues Objekt seine Begeisterungsfähigkeit: der Standort Adlershof mit seiner Fülle an Möglichkeiten. Mit 15 Beschäftigten zog die Firma in die Max-Planck-Straße. Ein Jahr später beschloss Nagy, in Berlin auch zu produzieren. Eine passende Halle fand sich: „Adlershof war wirklich wichtig für uns.“
Anton Nagy ist US-Bürger, ein Kind von Flüchtlingen. Er hat es nicht vergessen. Der Großvater hatte im Kroatien des Zweiten Weltkrieges auf der falschen Seite gekämpft, seine Witwe entkam mit dem kleinen Sohn nach Österreich, landete schließlich in Chicago. Dort wurde der Enkel vor 46 Jahren geboren, begann sein Studium als Chemieingenieur. Doch es hielt ihn dort nicht. „Einstiegsdroge“ für Europa war 1993 ein dreimonatiger Aufenthalt als Student in Delft. Später kehrte er zunächst als Praktikant, dann als Forscher bei Shell in Amsterdam in die Niederlande zurück. Die Sprache beherrscht er fast akzentfrei. Aus den Niederlanden stammt auch sein Doktordiplom, weil die deutsche Bürokratie seinen amerikanischen Master nicht anerkannte. „Sofort verliebt“, wie er sagt, hat sich Nagy, als er 1995 als Doktorand nach Berlin kam. Die Braunkohlegerüche damals, die „zerlöcherten Häuser“, die Punk- und Technoschuppen: „Mit Abstand meine Lieblingsstadt.“ Nach wie vor.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal