Die Stromstrategin
Catherina Cader arbeitet für saubere Energieversorgung in entlegenen Gegenden
Das Bild der nächtlichen Erde im Weltraum hat es ihr angetan. Diese hellen Lichtpunkte, die sich an bestimmten Orten zu Klumpen ballen. Daneben die weiten Zonen totaler Schwärze. Was Catherina Cader interessiert, ist vor allem die dunkle Seite der Welt. Wie sieht es an solchen Orten aus? Was ist zu tun, um es auch dort ein wenig leuchten zu lassen?
Im Reiner Lemoine Institut, wo sie seit 2012 beschäftigt ist, arbeitet Cader an genau diesem Thema. Sie forscht und berät Regierungen zu Fragen der Elektrifizierung entlegener ländlicher Räume in Afrika und Asien. Bevor das Corona-Virus auch sie in Adlershof festnagelte, war sie im Durchschnitt mindestens alle zwei Monate in fernen Weltgegenden unterwegs. In Nepal, auf den Philippinen, in Ghana und Sambia, am häufigsten in Nigeria.
Nach den derzeit aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2018 müssen noch immer 790 Millionen Menschen, etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung, ohne Elektrizität auskommen. Also ohne Kühlschrank, ohne Mobiltelefon, ohne Computer, ohne die Zugänge zu Wissen und Information, die das Internet bietet. „Für mich ist Strom schon ein Grundbedürfnis“, meint Cader. Wobei es ihr nicht darum geht, einfach Abhilfe zu schaffen. Vor allem nachhaltig und klimaverträglich sollte die Lösung sein. Sonne, Wind, Wasser statt Dieselgeneratoren.
Das entspricht der Philosphie des Reiner Lemoine Instituts, dessen früh verstorbener Namensgeber zu den Pionieren der Photovoltaik zählte. Gegründet wurde es 2010 in Schöneweide. Seit 2017 arbeiten die derzeit rund 70 Beschäftigten in der Rudower Chaussee an Konzepten für eine globale Energiewende. Ländliche Elektrifizierungsplanung ist einer von drei Schwerpunktbereichen, den Cader seit Anfang 2020 leitet: „Mittlerweile gehöre ich schon zu den alten Hasen.“
Ihren Zielregionen nähert sich die in Marburg und Gießen ausgebildete Geographin in mehreren Schritten. Sie erhebt die verfügbaren geographischen Daten, entwickelt auf dieser Grundlage ein technisch-ökonomisches Konzept. Verlaufen große und leistungsfähige Versorgungsleitungen in erreichbarer Nähe, so dass der Anschluss sich lohnt? Sind dezentrale Lösungen einfacher machbar? Wie sind die Windverhältnisse, wie lange scheint die Sonne? Ist Wasserkraft die Alternative? Zu Caders Aufgaben zählt auch, im Austausch mit lokalen Entscheidern den Bedarf zu ermitteln.
Zur Geographie fand die heute 34-Jährige aus der osthessischen Rhön, weil sie es, wie sie sagt, „sehr spannend fand zu verstehen, wie die ganze Welt funktioniert“. Das Fach hat ihr einen Beruf
beschert, in dem sie – in normalen Zeiten – ihre Leidenschaft fürs Reisen ausleben darf: „Ich weiß es zu schätzen, dass ich die Chance hatte, Nigeria zu besuchen.“ Gerade weil das keines jener Länder ist, wo man Urlaub macht. „Wie innovativ und einfallsreich die Leute mit den Dingen umgehen, wie divers dieses Land ist“, das zu erleben, meint Cader, empfinde sie als „sehr bereichernd“.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal