Ein Zuhause auf Zeit
Besuch bei Ding Li aus China und dem Inder Jolly Xavier Palackappillil im internationalen Begegnungszentrum
Das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) in Adlershof bietet für Gastwissenschaftler nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch vielfältige Gelegenheiten zum Kontakte knüpfen und Kennenlernen des deutschen Alltags.
Den Reiskocher hat Ding Li aus China mitgebracht. „Das Essen in Deutschland schmeckt mir schon, aber ich mag doch das lieber, was ich mir selber koche“, sagt er mit vollendeter asiatischer Höflichkeit. Seit zwei Monaten hat der promovierte Physiker von der Universität Peking eine neue Adresse: In dem vom Adlershofer Institutsnetzwerk IGAFA betriebenen IBZ-Gästehaus in der Wilhelm-Ostwald-Straße bewohnt er eine helle Einzimmerwohnung mit Bad und Küchenzeile. Auf dem Schreibtisch stehen Laptop und ein Flachbildschirm für die Skype-Telefonate mit seiner Frau daheim. Die Internetverbindung ist noch ein bisschen langsam. – „Aber Anne wird mir sicher helfen, einen schnelleren Anschluss zu bekommen“, sagt Li lächelnd.
Anne – das ist Gästehaus-Managerin Anne Krainz, die sich seit zweieinhalb Jahren um das Wohl der internationalen Bewohner kümmert, nicht nur in dem weißen Flachdachbau am Rande des Technologieparks Adlershof, sondern auch in einem weiteren Haus in Köpenick. 78 Wohnungen verschiedener Größen können für unterschiedliche Zeiträume angemietet werden, vom Wohngemeinschaftszimmer bis zur Dreizimmerwohnung für Familien. „Wir sind zu 95 Prozent ausgebucht, wer länger hier wohnen will, sollte sich mindestens ein halbes Jahr vorher anmelden“, empfiehlt Krainz.
Die lebhafte Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt besorgt Handwerker und hilft bei praktischen Fragen wie der Suche nach dem Kitaplatz. Sie sorgt aber auch dafür, dass die Gäste bei gemeinsamen Unternehmungen einander – und auch das Leben in Deutschland – besser kennenlernen. „Es macht viel Spaß, mit Menschen aus so unterschiedlichen Ländern zu tun zu haben“, sagt sie über ihren Job.
Filmabende, Ausflüge und Deutschkurse
Derzeit leben vor allem Wissenschaftler aus China, Indien, Pakistan und Russland im IBZ, manche arbeiten für mehrere Monate oder gar Jahre in Adlershofer Instituten. Krainz lässt sich einiges einfallen, um den Bewohnern ein Gefühl des Zuhauseseins zu vermitteln: Im Sommer hat sie zur Weltmeisterschaft im Garten des Gästehauses zum gemeinsamen Fußballgucken eingeladen. Einmal im Monat steht ein Ausflug auf dem Programm – an die Ostsee etwa, zum Bauhaus nach Dessau oder zur Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße.
Jolly Xavier Palackappillil gefallen auch die sportlichen Aktivitäten: Der Inder aus dem südlichen Bundesstaat Kerala ist im Sommer mit anderen IBZ-Bewohnern beim Staffellauf um das Tempelhofer Feld mitgelaufen. – „Dabei hatte ich seit meiner Basketballzeit als Student lange keinen Sport gemacht“, sagt der Experte für Nanophotonik, der am Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie an Solarzellen forscht. Von einem früheren Austausch, der ihn nach Münster führte, spricht der Physiker schon ein bisschen Deutsch – und mag die monatlichen Videoabende im IBZ deshalb besonders. Um deutsche Filmklassiker wie „Das Leben der anderen“ oder die „Feuerzangenbowle“ mit englischen Untertiteln aufzutreiben, ruft Managerin Krainz manchmal sogar direkt beim Verleih an.
Familien willkommen
Seit auch seine Familie nachgekommen ist, hat Palackappillil nicht mehr ganz so viel Zeit für gesellige Veranstaltungen. „Aber für meine Kinder ist es hier auch ideal“, freut er sich. Die fünfjährige Tochter und der zweijährige Sohn besuchen den internationalen Kindergarten in der Nähe. Im IBZ können sie durch das hauseigene Spielzimmer toben und in den Bilderbüchern aus der hauseigenen Bibliothek schmökern.
Ding Li kann es derweil kaum erwarten, dass die nächsten Deutschkurse am IBZ beginnen. Zwei Jahre will Li am Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik forschen: „Ich habe mir zwei Ziele gesetzt: Wissenschaftlich weiterzukommen und Deutsch zu lernen.“ Ins Berliner Stadtzentrum will der Chinese trotz seiner Neugier auf das vielfältige Kulturleben nicht ziehen: „Ich liebe die Natur, gehe gerne spazieren und schwimmen“, erzählt er.
Palackappillil schätzt am IBZ nicht nur die Nähe zu seinem Büro: „Hier habe ich die seltene Gelegenheit, Menschen aus anderen Teilen der Welt und sogar Fachkollegen zu treffen, mit denen ich mich wissenschaftlich austauschen kann. Wo gibt es das schon?“
Von Claudia Wessling für Adlershof Journal