Raus mit der Sprache
In den Deutschkursen der IGAFA geht es nicht um perfekte Deklinationen – entscheidend ist, ins Gespräch zu kommen
„Auf der Arbeit ist es sehr international, da sprechen wir viel Englisch“, sagt Ardian Gojani, der vor drei Jahren zur Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) nach Adlershof kam und Verfahren für die Lebensmittelanalyse entwickelt. Kein Problem für den gebürtigen Kosovaren. Gojani hat zuvor in Japan und den USA gelebt, spricht es fließend. „Aber für den Alltag brauche ich Deutsch, um beispielsweise mit den Lehrern unserer beiden Kinder zu sprechen.“ Zudem habe die Familie genug vom Umziehen und will die nächste Zeit in Deutschland bleiben. Deshalb lernt er nun auch diese Sprache.
Gojani hat einen Kurs belegt, der von der IGAFA (Initiativgemeinschaft Außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Adlershof e. V.) kostenfrei angeboten wird. Unterrichtet wird in kleinen Gruppen, wahlweise auf Anfängerniveau sowie für Fortgeschrittene. Die Kurse finden einmal wöchentlich statt und dauern jeweils 90 Minuten.
„Normalerweise sind wir in einem Seminarraum im IBZ-Gästehaus in der Wilhelm-Ostwald-Straße 3“, sagt der Kursleiter Yanik Avila. „Aufgrund der Corona-Pandemie findet der Unterricht derzeit per Zoom-Meeting statt.“ Wie auch das Recherchegespräch für diesen Beitrag. Dank seiner zugewandten Art gelingt es ihm, trotz räumlicher Trennung ein Gefühl von Nähe herzustellen. Mit lebhafter Gestik erläutert Avila, wie er zum Deutschlehrer wurde: zunächst Studium der Germanistik, Philosophie sowie Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft in Zürich; als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) kam er zur Promotion nach Deutschland und zog bald nach Berlin. „Um die Zeit bis zum Abschluss zu überbrücken, fing ich an zu unterrichten“, erzählt er. Es sei ihm wichtig gewesen, keinen Job an der Uni zu übernehmen, sondern mit Menschen aus anderen Lebensbereichen zusammenzukommen. Er habe zunehmend Gefallen daran gefunden. „Am Unterrichten einer Fremdsprache reizt mich zum einen, dass es einen immer wieder mit sehr verschiedenen Menschen zusammenbringt“, sagt er. „Zum anderen ist es einfach so, dass mich Sprachen in jeder Hinsicht faszinieren, wobei mir gerade diese Form des Unterrichts die Gelegenheit gibt, über alle möglichen lebensweltlichen Themen und Interessen nachzudenken – und mich darüber auszutauschen.“
Den Schülerinnen und Schülern soll es gelingen, ihre Gedanken in Worte zu fassen, lautet Avilas Ziel, nicht das Beharren auf perfekten Deklinationen und Konjugationen. „Dafür fehlt ihnen die Zeit.“ Sie sind als Physiker, Chemikerinnen oder Biologen beruflich stark eingebunden. „Das ist nicht zu vergleichen mit Teilnehmern von Intensivkursen, die ich an einer anderen Schule in Berlin anbiete“, sagt er. „Vier Tage pro Woche mit je drei Stunden, dazu die Nachbereitung – das hat sich als gutes und effektives Maß erwiesen.“ Für die Teilnehmer in Adlershof hingegen ist Deutsch lernen nur eine von vielen Aufgaben.
„Ich habe auch Online-Kurse probiert“, erzählt Ardian Gojani. Doch es sei schwer, sich dafür zu motivieren. „Immer findet sich eine Aufgabe, die dringender ist“, meint er und lacht. Im Kurs von Yanik Avila gibt es feste Zeiten und einen Lehrer, der einen fordert. Nur im Notfall wechselt dieser ins Englische, ansonsten wird konsequent deutsch gesprochen, gelesen, gehört. Das hat sich auch in den Zoom-Meetings nicht geändert. Indem Avila seinen Bildschirm teilt, lassen sich Textaufgaben gemeinsam lösen, über die Tonspur kommen Hörbeispiele und dank Headset und Webcam sind angeregte Gespräche möglich. Gojani mag die intensive Arbeit und stört sich nicht weiter am Unterricht auf Distanz. Avila hingegen empfindet diesen anstrengender, weil es schwerer sei, Stimmungen der Teilnehmenden aufzunehmen und beispielsweise ein Scherz schon mal missverstanden werde. „Ich habe Verständnis für die Maßnahmen, aber ich freue mich auch, wenn sie vorbei sind“, sagt er.
Womöglich kann nach der Sommerpause wieder Präsenzunterricht erteilt werden. Interessenten sind willkommen.
Von Ralf Nestler für Adlershof Journal