Gut unterwegs
Verkehrsszenarien für das Jahr 2030
Wir denken über unser tägliches Verkehrsverhalten nicht nach. Barbara Lenz und ihr Team vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Adlershof schon. Sie analysieren, wie Verkehrsströme fließen, und versuchen diese nachhaltiger zu gestalten. Die Forscher haben sogar eine Vorstellung davon, wie wir uns in 20 Jahren fortbewegen werden.
Stillstand ist ihre Sache nicht. Allenfalls aus wissenschaftlicher Sicht interessiert sich Barbara Lenz als Leiterin des DLR-Instituts für Verkehrsforschung dafür, was geschieht, wenn nichts mehr geht. Ansonsten ist ihr Tag eng durchgetaktet, ihr Terminkalender kennt keine Staus. Schnellen Schrittes marschiert die 56-Jährige durch die labyrinthischen Flure des DLR, eilt rüber zur Humboldt- Universität zu Berlin, wo sie als Professorin lehrt.
Lenz ist ein durch und durch mobiler Mensch. Umso mehr wundert sie sich, wenn sie – selten genug – aus Charlottenburg mit dem Auto zur Arbeit fährt und sich brav in den täglichen Stau auf der Stadtautobahn einreiht. „Warum tun sich das so viele Pendler an?“, fragt sie sich dann und wird daraus vielleicht später eine Frage für die Forschung formulieren. Denn die 30 Wissenschaftler an ihrem Institut analysieren Verkehrsverhalten und entwickeln Ideen, wie sich der Verkehr nachhaltiger gestalten lässt.
Für ihren täglichen Weg zur Arbeit hat Lenz diese Frage längst beantwortet: Sie nimmt meist das Rad und die S-Bahn. Immer mit dabei ist ihr kleines Büchlein, in das sie Beobachtungen von unterwegs einträgt, die die Verkehrsforscher noch beschäftigen könnten. Etwa wenn auf dem Radweg ein E-Bike an ihr vorbeirauscht. Ist die Infrastruktur überhaupt dafür geeignet? Bei allem bleibt die promovierte Geografin ganz Wissenschaftlerin: „Ich mag zwar analytisch unterwegs sein, aber es wäre fatal, aus persönlichem Erleben wissenschaftliche Schlüsse zu ziehen“, stellt sie klar. Auch wenn sie mit dem strombetriebenen VW Golf Variant durch die Stadt fährt und sich der Wagen „gut und komfortabel“ anfühlt, genügt Lenz diese Erkenntnis nicht.
Daher laufen am DLR einige Projekte rund um das Thema Elektromobilität. Erforscht wird, wie sich das Fahr- und Verbrauchsverhalten ändern könnte. „Eine Batterie, die nach 50 Kilometern leer ist, macht Energieverbrauch bewusster erlebbar als ein 50-Liter- Benzin-Tank, der vielleicht nach knapp 1.000 Kilometern wieder gefüllt werden muss“, sagt Lenz. Für sie ist jedenfalls klar: „Elektromobilität kommt.“
Gut wäre es für Planer zu wissen, wie der Verkehr in 20 Jahren rollen wird. Auch das versuchen die Forscher mit den „DLR-Verkehrsszenarien 2030“ zu ergründen. Das Projekt läuft noch, doch grundlegende Trends sind bereits klar: „Die Nachfragekurve wird abflachen“, sagt Lenz. Sprich: Mehr als heute werden die Menschen nicht auf Achse sein. Das liegt auch daran, dass jüngere Leute nicht mobiler werden, sie statt auf ein eigenes Auto lieber auf moderne Kommunikationsmittel wie Smartphones Wert legen. Und sie sind bei der Wahl der Verkehrsmittel flexibler als frühere Generationen, die sich entweder in reine Autofahrer oder Bahnfahrer oder Radfahrer unterteilten. „Die Fixierung auf nur ein Verkehrsmittel nimmt deutlich ab und die Bedeutung von Sharing-Modellen nimmt zu“, erläutert Lenz. Entsprechend sollte der Verkehr 2030 vernetzt sein, Car- und Bike-Sharing-Angebote sowie einen attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bieten.
Berlin sei in dieser Hinsicht schon auf dem richtigen Pfad, meint die Expertin. Auch was den ÖPNV anbelangt. Da passt die neu eröffnete Straßenbahnstrecke für den Wissenschaftsstandort Adlershof ins Bild. Gut stände dem Gelände auch zu Gesicht, meint Lenz, wenn es am S-Bahnhof Leihfahrräder gäbe. Die gebürtige Stuttgarterin hat nämlich – obwohl sie Kind einer stolzen Autostadt ist – ein Faible für Fahrräder. Was nicht heißt, dass sie das Auto verteufelt: „Jedes Verkehrsmittel hat seine Berechtigung. Es muss nur intelligent eingesetzt werden.“
von Chris Löwer
Link: www.dlr.de/vf