Licht verdrehen, um Elektronen zu verdrehen
Olga Smirnova vom Max-Born-Institut erhält ERC Advanced Grant für ihre Forschung zu ultraschneller molekularer Chiralität
Olga Smirnova hat einen renommierten Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten. Dieser fördert die Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer Methoden zur Steuerung und Abbildung ultraschneller chiraler Dynamik auf einer Zeitskala von Attosekunden bis Femtosekunden über einen Zeitraum von 5 Jahren. Der ERC Advanced Grant ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert und wird an Spitzenforscherinnen und -forscher in Europa für bahnbrechende und risikoreiche Projekte in der Wissenschaft vergeben.
Chirale Moleküle liegen als nicht deckungsgleiche „Spiegelzwillinge“ in Paaren vor, die Enantiomere genannt werden. Die spezifischen Stereoanordnungen ihrer Kerne liegen ihren Schlüsselfunktionen in der Chemie und Biologie zugrunde. Und doch sind die chiralen molekularen Wechselwirkungen auf der Ebene der Elektronen, die auf ultraschnellen Zeitskalen stattfinden, noch wenig erforscht. Es ist eine noch ungelöste Aufgabe, extrem enantio-empfindliche, ultraschnelle und volloptische Methoden zur Verfolgung der elektronischen Dynamik zu entwickeln. Das multidisziplinäre ULISSES-Projekt nimmt sich dieser Herausforderung an: Es macht sich die chiralen elektronischen Ströme zu Nutze, die auf natürliche Weise entstehen, wenn chirale Moleküle mit ausreichend intensivem Licht interagieren. Die chirale Natur dieser ultraschnellen Ströme wird durch das Molekül selbst bestimmt.
Das Projekt verwendet Licht mit räumlich und zeitlich strukturierter Polarisation, wodurch dieses Licht mit lokalen chiralen und globalen topologischen Eigenschaften ausgestattet ist. Durch die Steuerung des Lichts und der Elektronenströme, die es hervorruft, sollen neue optische Effekte erzeugt werden, die um Größenordnungen enantio-empfindlicher sind als die herkömmlichen optischen Techniken. Hierdurch ist es möglich, einen Zugang zu der ultraschnellen Elektronendynamik und den physikalischen Mechanismen zu gewinnen, die den chiralen Funktionen zugrunde liegen. Das Projekt wird auch einen Rahmen für die Beschreibung des geometrischen Magnetismus, erzeugt durch die Elektronenströme in den chiralen Molekülen, entwickeln und dank dieser geometrischen Konzepte neue Klassen enantio-empfindlicher Phänomene einführen.
Mit einem erweiterten Verständnis der dynamischen Reaktion von chiralen Systemen auf Licht hat sich ULISSES das Ziel gesetzt, den Weg für innovative Anwendungen volloptischer Methoden zur chiralen Diskriminierung in Proben mit geringer Dichte mit außerordentlicher Empfindlichkeit und molekularer Spezifität zu ebnen.
Olga Smirnova leitet die Strong Field Theory Group am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie und ist Professorin für Theoretische Physik an der Technischen Universität Berlin. Mit ihrer Forschung zu Attosekunden- und Starkfeldphänomenen in Atomen, Molekülen und Systemen kondensierter Materie spielt sie weltweit eine führende Rolle in der Attosekunden- und Starkfeldphysik. Olga Smirnova hat mehrere Auszeichnungen für ihre wissenschaftliche Arbeit erhalten, darunter den Ahmed Zewail Award in Ultrafast Science and Technology der American Chemical Society im Jahr 2020.
Weitere Informationen zu Olga Smirnova sind verfügbar unter mbi-berlin.de/p/olgasmirnova und zu den ERC Grants unter erc.europa.eu.
Kontakt
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI)
Prof. Dr. Olga Smirnova
Tel. +49 30 6392-1340
E-Mail smirnova(at)mbi-berlin.de
Pressemitteilung MBI/FVB vom 26.04.2022