„Lucy“ entdeckt einen Doppelmond am Asteroiden Dinkinesh
DLR-Wissenschaftler machten eine überraschende Beobachtung bei der Auswertung der Bilddaten von der NASA-Raumsonde
Erst eine kleine und dann sogar noch eine große Überraschung: Als nach dem Vorbeiflug der NASA-Raumsonde Lucy am kleinen Asteroiden Dinkinesh am 1. November 2023 die ersten Bilder zur Erde übertragen waren, tauchte hinter dem 720 Meter großen Asteroiden ein Mond auf. Zwar hatte das Wissenschaftsteam vorab die Möglichkeit gesehen, dass Dinkinesh einen Begleiter haben könnte, denn die mit irdischen Teleskopen aufgezeichneten Lichtkurven zeigten eine Unregelmäßigkeit, die darauf hindeutete. Doch nun war der Trabant real. Dann kamen noch mehr Fotos und bei deren Betrachtung war das Erstaunen groß: Der Dinkinesh-Mond besteht aus zwei Teilen, er ist ein sogenannter Kontakt-Binärkörper, im Englischen contact binary. Die beiden sich berührenden Trabanten haben Durchmesser von 210 und 230 Metern und umkreisen Dinkinesh während knapp 53 Stunden in 3,1 Kilometer Entfernung. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist an der Entdeckung beteiligt.
„Das Lucy-Wissenschaftsteam sammelt seit Januar 2023 Daten über Dinkinesh mithilfe von Teleskopen. Zu diesem Zeitpunkt wurde Dinkinesh zu unserer Liste der Ziele hinzugefügt", sagte Simone Marchi, stellvertretender Leiter des Lucy-Wissenschaftsteams am Southwest Reasearch Institute in Boulder, Colorado (USA). „Wir dachten dank der Teleskopdaten, wir hätten ein recht gutes Bild davon, wie Dinkinesh aussehen würde. Aber dann waren wir begeistert, so viele unerwartete Entdeckungen zu machen!“ Der Begleiter von Dinkinesh trägt inzwischen den von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) auf Vorschlag des Lucy-Teams verliehenen Namen (152830) Dinkinesh I Selam.
„Es ist das erste Mal, dass eine solche Konstellation beobachtet wurde“, freut sich Dr. Stefano Mottola vom Institut für Planetenforschung am DLR, Mitglied des Lucy-Wissenschaftsteams. Gemeinsam mit Frank Preusker, ebenfalls vom DLR-Institut für Planetenforschung, ist er für die photogrammetrische Auswertung der Bilddaten und der Berechnung von digitalen Geländemodellen zur Bestimmung der Form der drei beobachteten Körper zuständig.
In Vorbereitung des Vorbeiflugs beschäftigte sich Stefano Mottola intensiv mit den Lichtkurven des um seine Achse rotierenden und dabei das Sonnenlicht unterschiedlich stark reflektierenden Asteroiden. „Der Verlauf dieser Lichtkurven war für einen normal rotierenden Körper ungewöhnlich“, so Mottola weiter. „Ein Begleiter von Dinkinesh war deshalb denkbar. Aber dass es ein Doppelkörper, ein ‚contact binary‘ sein würde, hat uns total überrascht“.
Die Ergebnisse des Lucy-Vorbeiflugs wurden jetzt im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Lucy ist eine Mission im Discovery-Programm der NASA, die am 16. Oktober 2021 gestartet ist. Ihr Hauptziel sind Asteroiden auf der Jupiterbahn, sogenannte Trojaner, die dem Planeten an zwei Librations- oder Lagrangepunkten 60 Winkelgrad vorauseilen beziehungsweise nachfolgen. Mehrere davon werden zunächst 2027 und 2028 untersucht werden, und noch einmal ab 2033 beobachtet werden. Die Mission ist nach einem drei Millionen Jahre alten fossilen Skelett eines Urmenschen benannt, das 1974 in Äthiopien ausgegraben wurde.
Publikation:
Harold F. Levison et al.: A Contact Binary Satellite of the Asteroid (152830) Dinkinesh
Nature (2023). DOI: 10.1038/s41586-024-07378-0
Kontakt:
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin-Adlershof
Anja Philipp
Kommunikation
Tel: +49 30 67055 8034
Dr. Stefano Mottola
Institut für Planetenforschung
Planetengeodäsie
Ulrich Köhler
Institut für Planetenforschung
www.dlr.de/pf
Pressemitteilung DLR vom 29.05.2024