Schwärzer als Kohle und gefangen von Jupiter
Stefano Mottola erforscht ferne Himmelskörper. Eine aktuelle Mission nimmt sogenannte Trojaner in den Blick
Wenn Stefano Mottola von seinen Forschungsobjekten erzählt, wird die Vorstellungskraft enorm gefordert: Asteroiden, ein paar Dutzend bis 100 Kilometer groß, schwärzer als schwarzes Papier oder Holzkohle, umkreisen die Sonne auf der Bahn des Jupiters. Das ist so weit draußen, dass das wenige Licht, das sie reflektieren, mehr als eine halbe Stunde bis zur Erde braucht.
„Trojaner“ werden sie genannt und sie sind extrem spannend, wie der Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt. „Diese kleinen Körper sind in der Bahn des Riesenplaneten ‚gefangen‘ und nie in die Nähe der heißen Sonne gelangt“, sagt Mottola. Daher seien keine flüchtigen Bestandteile entwichen, ihre Zusammensetzung seit der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren unverändert. Als „eingefrorene Fossilien“ werden sie mitunter bezeichnet, sagt der Wissenschaftler. „Indem wir sie erforschen, können wir viel über den Beginn und die Entwicklung des Sonnensystems lernen.“
Im Oktober 2021 startete die zivile US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft NASA eine Sonde namens „Lucy“, um acht solcher Trojaner zu besuchen. Mottola hat gemeinsam mit Kolleg:innen in den USA die Mission vorbereitet und geholfen, die wichtigsten Punkte zu klären: Welche Ziele werden angeflogen, welche Daten werden erhoben, wie ist die Flugroute zu planen, um trotz begrenztem Treibstoff viel zu sehen.
Dabei kommt ihm seine Erfahrung von anderen Missionen zugute. Seit 1987 ist der Astrophysiker beim DLR. Zunächst war er in Oberpfaffenhofen, vor 30 Jahren kam er nach Adlershof an das soeben gegründete DLR-Institut für Planetenforschung, das aus dem vormaligen Institut für Kosmosforschung hervorgegangen war.
Hier war er unter anderem an der japanisch-deutschen Mission „Hayabusa 2“ beteiligt, die rund fünf Gramm Probenmaterial vom Asteroiden Ryugu aufgeklaubt hatte, die derzeit untersucht werden. Auch an der Mission „Rosetta“ der Europäischen Weltraumorganisation ESA wirkte Mottola mit: der bislang umfassendsten Erkundung eines Kometen einschließlich Landung mit dem Forschungsroboter „Philae“ im Herbst 2014.
„Das war unglaublich spannend und aufregend“, erinnert sich Mottola. Nicht alles lief nach Plan, der Lander prallte nach dem ersten Aufsetzen noch zwei Mal vom Kometen ab, ehe er zum Stehen kam. Zum Glück überstand er das Hüpfen und schickte wertvolle Daten zur Erde. Der Adlershofer Forscher bangte und jubelte damals im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt mit seinen Kolleginnen und Kollegen.
In Sachen Lucy wird es ein Treffen in den USA geben, allerdings erst im April 2025: für den Vorbeiflug am Asteroiden „Donaldjohanson“. Der erste Trojaner namens Eurybates wird erst Ende 2027 erreicht. „Um möglichst viele Trojaner zu beobachten, wird die Sonde nicht in eine Umlaufbahn einschwenken, sondern während des Vorbeiflugs ihre Messungen vornehmen“, sagt Mottola. „Es gibt nur diese eine Chance, die müssen wir nutzen.“ Denn die Sonde ist dann bereits unterwegs zum nächsten Trojaner – und die Adlershofer Wissenschaftler:innen werden aus den verfügbaren Daten ermitteln, wie Eurybates’ Oberfläche aussieht, ob es Hügel und Täler gibt, ob der ferne Körper eher rundlich oder nur ein irregulärer Schutthaufen ist.
Die „Wartezeit“ auf die Trojaner-Passage ist für Mottola üppig gefüllt mit weiteren Forschungsprojekten und Abstimmungen für Lucy. Nahezu täglich schalten sich die Wissenschaftler:innen aus den teilnehmenden Ländern in Telefonkonferenzen zusammen, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen und abzustimmen.
Die Mission ist geplant bis 2033, dann soll der letzte Vorbeiflug an „Patroclus – Menoetius“ erfolgen. „Zu diesem Zeitpunkt werde ich schon längst in Rente sein“, sagt Mottola. „Ich hoffe, dann noch so gesund zu sein, dass ich als Gastwissenschaftler auch diese Phase der Mission begleiten kann.“
Ralf Nestler für Adlershof Journal