Nischenangebot mit Neuigkeitswert: Klimaneutrale Film- und Fernsehproduktion
Russland brennt, Pakistan ertrinkt in einer biblischen Flut und in Deutschland stöhnen die Menschen bei Hitzewellen bis nahezu 40 Grad Celsius. Wissenschaftlich umstritten, sind der Klimawandel und die durch ihn verursachten Phänomene schon lange ein Thema für Film und Fernsehen. Allein der deutsche Regisseur Roland Emmerich hat die Welt in „The Day After Tomorrow“ und „2012“ bereits zweimal in Schutt und Asche gelegt. Obwohl Umweltbewusstsein in deutschen Unternehmen allmählich zum guten Ton gehört, sind klimaneutrale Film und Fernsehproduktionen noch selten.
Als „Fingerübung“, sagt Daniel Überall, habe man die beiden letzten James-Bond-Filme „gerechnet“. Explodierende Gebäude, Verfolgungsjagden im Aston Martin, Autos, die in Flammen aufgehen, produzieren einen gewaltigen Kohlendioxid-Ausstoß. Daniel Überall arbeitet für die Münchner Klimaschutzberatung ClimatePartner, die Klimaschutzstrategien und CO2-Bilanzen für Unternehmen, Produkte oder Veranstaltungen erstellt. „Im Kern beschäftigen wir uns mit der klimaneutralen Medienproduktion. So haben wir die DVDs von ‚The Day After Tomorrow‘ und die Filmvorführungen von Al Gores ‚Unbequeme Wahrheit‘ betreut und ausgeglichen.“
Der Schwerpunkt, so Überall, liege aber eindeutig noch auf der Printproduktion. „Aktuell ist unsere Dienstleistung für Filmproduktion noch ein absolutes Nischenangebot mit Neuigkeitswert. Wir rechnen aber damit, dass über den Inhalt der Produktionen der Klimaschutz auch für Filmproduktionen einen ähnlichen Stellenwert bekommen wird wie bei Druckerzeugnissen.“
„Wir haben das Thema auch in unserem Unternehmen auf dem Schirm“, sagt Harald Becker von Studio Berlin, „auch wenn es bislang noch keine große Rolle gespielt hat, da wir unseren Umsatz zum überwiegenden Teil nicht im Bereich der Filmproduktionen generieren.“
Kompensation von Treibhausgasen ist kein Hexenwerk
Für Holger König ist klimaneutrale Filmproduktion nicht nur „zeitgemäß“, sie ist eine Notwendigkeit. König ist Geschäftsführer der KOENIGSFILM aus Kassel, München und Berlin, nach eigenen Angaben Deutschlands erste Film- und TV-Produktion, die klimaneutral arbeitet und jeden Film klimaneutral herstellen kann. Ausschlaggebend für Königs Entscheidung, CO2-neutral zu produzieren, waren die gescheiterten Klimaverhandlungen auf Bali im Herbst 2007.
„Die Kompensation von Treibhausgasen ist kein Hexenwerk und absolut erschwinglich. Ein Beispiel: Der Imagefilm eines Münchner Unternehmens zum Thema ‚Arbeitssicherheit‘ trägt wie die Kampagne innerhalb des Unternehmens den Titel ‚Zero Harm‘. Was liegt näher, als den Film so umweltverträglich wie möglich herzustellen?“ Denn wer über Klimaneutralität redet, wird auch gefragt, ob er klimaneutral handelt. „Nur rund ein Prozent der Produktionssumme reicht aus“, erklärt König, „um den CO2-Ausstoß eines Corporate-Films zu berechnen und durch Ankauf und Stilllegung hochwertiger Emissionsminderungszertifikate zu kompensieren.“
Kleinigkeiten zählen
Für den Film des Münchner Unternehmens bedeutete das: Schon in der Produktionsplanung wurden alle Maßnahmen ergriffen, um beispielsweise die Filmteams ressourcenschonend zu transportieren, wurde geprüft, ob bestimmte Meetings nicht auch telefonisch abzuwickeln sind.
„Manchmal“, sagt König, „sind es Kleinigkeiten, die dazu beitragen, die Produktion von Treibhausgasen so weit wie möglich zu reduzieren.“ Laptops verwenden etwa ein Drittel weniger Energie als Desktop-Computer. „Unsere Bildaufzeichnung erfolgt ‚tapeless‘, also auf wiederverwendbaren Speicherkarten. Wir setzen am Set Speziallampen ein, die eine Lichtausbeute haben, für die andere Lampen acht Mal mehr Strom benötigen.“
Alle relevanten Daten werden erfasst. Daraus errechnen Überall und seine Kollegen mit einem detaillierten Erfassungsbogen alle Emissionen für eine Feuerwerkszene ebenso, wie für eine Kamerafahrt durch die Unternehmenslobby.
Klimaschutzprojekte durch Zertifikate finanziert
Unterm Strich entstanden für dieses HD-Film-Projekt mit elf Drehtagen an 15 Drehorten in Deutschland und der Schweiz insgesamt rund 4,2 Tonnen CO2, die mit etwa 500 Euro kompensiert werden konnten. Ein Freikaufen ist das für König nicht. „Es ist immer ein Fortschritt, wenn sich ein Unternehmen für den klimaschonenden Weg entscheidet, egal aus welchem Grund. Mit dem Erwerb der Zertifikate werden außerdem Projekte gefördert, die sonst nie oder zu spät umgesetzt werden könnten.“ Daniel Überall sieht das ähnlich: „Wer Zertifikate kauft, der befreit sich nicht von Sünden, sondern finanziert Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern, wodurch nicht nur Emissionen kompensiert, sondern auch der Technologietransfer in diese Länder und damit eine nachhaltige Entwicklung unterstützt werden.“
von Rico Bigelmann