Prof. Jan Plefka erhält ERC Advanced Grant
European Research Counsil stellt 2,2 Mio. Euro für das Projekt GraWFTy zur Forschungen in der Gravitationswellenphysik zur Verfügung
Jan Plefka erhält einen renommierten Advanced Grant des European Research Council (ERC). Ihm und seinem Team am Institut für Physik und am IRIS Adlershof der HU Berlin stehen in den kommenden 5 Jahren 2,2 Millionen Euro für das GraWFTy Projekt (High-Precision Gravitational Wave Physics from a Worldline Quantum Field Theory) zur Verfügung, um Gravitationswellen mithilfe der Quantenfeldtheorie zu beschreiben. Die so möglichen Vorhersagen werden für die Wellendetektoren der nächsten Generationen benötigt.
Der ERC Advanced Grant
ERC Advanced Grants sind ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert und unterstützen exzellente und selbst initiierte Forschungsprojekte führender Spitzenforscher_innen. Es handelt sich um die höchstdotierte europäische Forschungsförderung. Die Preisträger_innen sind exzeptionell führende Persönlichkeiten, die sich durch Originalität und Signifikanz ihrer Ansätze auszeichnen.
Zur Person
Professor Jan Plefka ist ein renommierter theoretischer Physiker und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach Physikstudium und Promotion 1996 an der Universität Hannover war er Postdoc in New York, Amsterdam und am MPI Potsdam. Er war Gastprofessor an der ETH Zürich und am CERN. Seine Forschungen beschäftigen sich mit der Quantenfeldtheorie und ihrer Beziehung zur Gravitation. Hierbei konnte er wichtige Beiträge zu Fragen der Quantengravitation und der Stringtheorie, insbesondere im Bereich der AdS/CFT-Korrespondenz und zu versteckten Symmetrien in supersymmetrischen Quantenfeldtheorien liefern. In jüngster Zeit hat er innovative quantenfeldtheoretische Methoden für Fragen der klassischen Gravitationswellenphysik entwickelt, für dessen Ausbau er nun den ERC Advanced Grant erhielt. Er ist Sprecher des DFG Graduiertenkollegs 2575, “Rethinking Quantum Field Theory”.
Jan Plefka wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit einem Feodor Lynen Stipendium der Humboldt-Stiftung und der Lichtenberg-Professur der Volkswagen Stiftung.
Das GraWFTy Projekt: High-Precision Gravitational Wave Physics from a Worldline Quantum Field Theory
Gravitationswellen sind winzige Wellen des Raumzeitgewebes, die sich mit Lichtgeschwindigkeit durch unser Universum bewegen. Sie entstehen, sobald Massen beschleunigt werden. Sie sind eine direkte Vorhersage der Einstein’schen Relativitätstheorie, die er in seinen Berliner Jahren bereits 1916 vorhergesagt hat. Sie wurden erstmals 100 Jahre später im Jahr 2015 im LIGO-Detektor direkt nachgewiesen. Sie sind durch die Verschmelzung von zwei schwarzen Löchern entstanden und haben sich nach einem Milliarden-Lichtjahre langen Weg bei uns durch winzigste Auslenkungen bemerkbar gemacht.
Derzeit sind 3 Gravitationswellen-Observatorien in Betrieb: LIGO, Virgo und Kagra. Sie detektieren routinemäßig Gravitationswellen, die von Verschmelzungen von schwarzen Löchern und Neutronensternen ausgehen. Bis heute konnten etwa 90 solcher Ereignisse detektiert werden.
In den 2030er Jahren wird eine neue Generation von boden- und weltraumgestützten Gravitationswellendetektoren in Betrieb gehen, die die Empfindlichkeiten dieser Messungen deutlich erhöhen werden. Um diesen Empfindlichkeiten gerecht zu werden, muss die theoretische Physik hochgenaue Wellenformen aus Einsteins Theorie vorhersagen, die weit über den aktuellen Stand der Technik hinausgehen.
Das GraWFTy-Projekt wird diese Vorhersagen für die hochpräzise Form von Gravitationswellen liefern. Mit deren Hilfe können fundamentale Fragen der Physik studiert werden:
- Ist Einsteins Theorie im Bereich starker Gravitationsfelder korrekt?
- Wie entstehen schwarze Löcher, was ist ihre Population im Universum?
- Können wir Signale für Physik jenseits der bekannten Naturkräfte und Teilchen sehen?
Jan Plefka erklärt seinen Ansatz: „Gemeinsam mit meiner Arbeitsgruppe konnten wir seit 2020 eine innovative Methode entwickeln, die dieses Problem der klassischen Physik mit Methoden der Quantenfeldtheorie angeht. Die Quantenfeldtheorie ist die mathematische Beschreibung der Elementarteilchenphysik, also gerade der kleinsten Bausteine unseres Universums und deren Wechselwirkungen. Es ist überaus faszinierend, dass diese Sprache auch auf die klassische Gravitationsphysik mit hoher Effizienz angewandt werden kann. Verkürzt gesagt ersetzen wir die Streuung von Protonen, so wie sie in Beschleunigern wie des LHC am CERN stattfindet, in unserem Formalismus durch die Streuung von schwarzen Löchern oder Neutronensternen. Dabei gibt es natürlich zunächst die Vereinfachung, dass wir nun die Quanteneffekte in den umfangreichen Rechnungen vernachlässigen können – die im Fall der Gravitation auch noch ungenügend verstanden sind. Dies wird jedoch durch die Komplexität der Einstein’schen Theorie im Vergleich zu dem Standardmodell der Teilchenphysik wieder kompensiert.
Der große Vorteil unseres sogenannten 'Weltlinien'-Zugangs ist, dass wir direkt auf die observablen Größen im Detektor abzielen können und dabei die moderne mathematische Technologie der Quantenfeldtheorie, namentlich der Feynmanintegrale, nutzen können. Ein weiterer besonderer Aspekt ist, dass der Spin der schwarzen Löcher in unserer Beschreibung durch eine Supersymmetrie beschrieben wird. Über deren Existenz hat man bislang in der Elementarteilchenphysik spekuliert. Wir konnten zeigen, dass sie in der effektiven Beschreibung von rotierenden schwarzen Löchern auftritt. Die Idee zu diesem Ansatz entspringt der Stringtheorie.
Für mich stellt dieses Projekt einen besonderen Schritt in meiner Karriere dar. Bisher habe ich meine Forschungen primär auf die Frage der Quantengravitation und ihrer Beziehung zu Eichfeldtheorien fokussiert. Das war primär mathematische Physik und fernab von real messbaren Dingen. Mit GraWFTy wende ich nun diese in einem abstrakten Kontext entwickelten Ideen auf drängende, aktuelle Fragen der Gravitationswellenphysik an. Wir konnten die Effizienz dieses Zugangs bereits beweisen. Der ERC Advanced Grant wird mir erlauben, diese Forschungen voll zu entfalten.“
Kontakt
Prof. Dr. Jan Christoph Plefka
Institut für Physik und IRIS Adlershof
Humboldt-Universität zu Berlin
Zum Großen Windkanal 2, 12489 Berlin
jan.plefka(at)physik.hu-berlin.de
Pressemitteilung IRIS Adlershof vom 30.03.2023