Strategien gegen Stress und Stau
Interview mit Ralf Blank, Projektmanager des Gesundheitsnetzwerks Adlershof
Tagtäglich pendeln unzählige Arbeitnehmer:innen hin und her. Die Folge sind verstopfte Straßen und gestresste Beschäftigte. Was das konkret für den Technologiepark Adlershof bedeutet – immerhin arbeiten hier aktuell bereits rund 22.000 Menschen, Tendenz steigend – und wie sich mit den Erkenntnissen aus eineinhalb Jahren Pandemie gegensteuern ließe, haben wir bei Ralf Blank erfragt, Projektmanager des Gesundheitsnetzwerks Adlershof.
Welchen Belastungen sind Arbeitnehmende ausgesetzt, die täglich vom Wohn- zum Arbeitsort und zurück pendeln?
Wir wissen, dass das Pendeln mit psychischen, körperlichen und sozialen Belastungen verbunden ist. Einfluss auf die Gesundheit haben vor allem fünf Faktoren, nämlich Modus, Entfernung sowie Dauer des Pendelns, Geschlecht und Erlebnisse auf der Pendelstrecke, so die Ergebnisse einer umfangreichen Studie „Mobilität in der Arbeitswelt“. Besonders, wenn das Auto über mehr als 50 km Wegstrecke eingesetzt wird, steigt die gesundheitliche Beeinträchtigung. Frauen spüren die negativen Folgen stärker als Männer. Die Herausforderung, durch das Pendeln berufliche und private Verpflichtungen in Einklang zu bringen, führt zu höheren psychischen Belastungen und zu weniger Zeit für soziale Kontakte. Positiv auf den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand wirkt sich in puncto Pendelmodus die Fahrt mit dem Fahrrad oder der Gang zu Fuß aus.
Das Gesundheitsnetzwerk Adlershof hat diesbezüglich selbst eine Studie durchgeführt, welche Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?
Das Adlershof Barometer, eine 2019 durchgeführte Gesundheitsanalyse, ergab, dass fast die Hälfte der in Adlershof Beschäftigten täglich zwischen 31 und 60 Minuten je einfache Wegstrecke zurücklegt. Fast 20 Prozent sogar noch mehr. Dabei empfinden fast 60 Prozent dies als belastend. Eine Einschätzung, die doppelt so hoch ist wie der zugrunde gelegte Referenzwert.
Können Sie Empfehlungen für den Technologiepark Adlershof ableiten?
Ja, das können wir. Allerdings wurde das Problem eher auf struktureller Ebene gesehen, denn die Anzahl der Parkplätze und Verkehrswege bleibt begrenzt. Hier arbeitet die WISTA Management GmbH bereits an einem Mobilitätskonzept. Unser Expertenteam des betrieblichen Gesundheitsmanagements empfiehlt, die Stressor-Bewältigung auch selbst in die Hand zu nehmen: Fahrten außerhalb der „Rush Hour“, flexiblere Arbeitszeiten oder Resilienztrainings sind nur einige Ansätze, die wir mit unseren Angeboten unterstützen.
Die Coronapandemie hat Arbeitnehmende mit einem Schlag ins Homeoffice versetzt. Welche Vorteile, aber auch Nachteile sehen Sie?
Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sieht einer Studie aus 2021 zufolge einen anhaltenden Trend zum Homeoffice. Vorteile gibt es viele. Zunächst einmal die Zeitersparnis und die Reduzierung der Belastung, die das Pendeln nach sich zieht. Weitere positive Effekte sind zeitliche und örtliche Arbeitsflexibilisierung, Erleichterung bei der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen und die Beschleunigung der digitalen Transformation, um nur einige zu nennen. Mit dem „Homeoffice-Schub“ sind allerdings auch diverse Herausforderungen für Arbeitnehmende und Arbeitgebende verbunden. „Interessierte Selbstgefährdung, Entgrenzung, Schulungsbedarf der Mitarbeitenden in Zeit- und Selbstmanagement sowie Ergonomie im Homeoffice, Qualifizierung der Führungskräfte zur sogenannten Führung auf Distanz oder gemeinsamer Aufbau virtueller Kompetenz, soziale Vereinsamung, Präsentismus“, können hier laut Expertenteam der Techniker Krankenkasse für das Adlershofer Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM)-Projekt genannt werden.
Könnten Coworking-Spaces am Wohnort die bessere Alternative zum heimischen Büro sein?
Eine sehr spannende Frage, deren Antwort auch von persönlicher Kommunikations- und Fokussierungsfähigkeit abhängt. Ursprünglich richtete sich diese moderne Arbeitsform mit zeitlich flexiblen Arbeitsplätzen in meist großen, offenen Räumen an freiberuflich Tätige oder die Start-up-Szene. Der hier mögliche soziale Austausch, die sehr gute Infrastruktur und vielleicht bessere Trennung von Berufs- und Privatleben könnten für Beschäftigte durchaus eine ernstzunehmende Alternative zum Homeoffice sein.
Peggy Mory für POTENZIAL