Über den Tellerrand
Wie die Innovationswerkstatt Schöneweide Industrie und Forschung regional vernetzt
M, S, XS – lieber drei Größen bestellen, damit hoffentlich eine passt. So läuft es häufig beim Online-Kleiderkauf über Zalando & Co. Viel zu umständlich und eine Vergeudung von Ressourcen – an Zeit, Transportkapazitäten und Arbeitskraft. Das findet Manfred Ostermeier, Geschäftsführer der 2013 gegründeten Firma Botspot. Wenn es nach ihm geht, sollen Kunden künftig mit ihrem Avatar online shoppen gehen, einem genau vermessenen virtuellen 3D-Abbild ihrer selbst.
Die Scanner- und Softwaretechnologie dafür entwickelt Botspot. Menschen ebenso wie Turnschuhe, Maschinenteile oder sogar ganze Autos werden in einer 360-Grad-Kabine vermessen. Sie ist mit sechzig bis achtzig Kameras ausgestattet. Aus deren unterschiedlichen Blickwinkeln lässt sich ein sehr genaues räumliches Abbild berechnen.
Wie die Nutzung von Avataren in die bisherigen Geschäftsabläufe der Kleidungsanbieter integriert werden kann und welche Vorteile sich aus einer solchen Geschäftsidee für die Anbieter von 3D-Scannern ergeben können, das hat Botspot von sechs Studierenden unterschiedlicher Disziplinen im Rahmen der Innovationswerkstatt Schöneweide untersuchen lassen.
Dieses Format wurde gemeinsam von der WISTA-MANAGEMENT GMBH (WISTA) und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) entwickelt, um Industrie und Forschung regional besser miteinander zu vernetzen. „Unternehmen brauchen Innovationen und dafür fehlt es gelegentlich an zeitlichen und personellen Ressourcen, frischen Ideen und Kontakten zu externer Expertise“, weiß Daniela Lange von der WISTA aus vielen Gesprächen mit Unternehmen vor Ort.
Die Innovationswerkstatt Schöneweide bietet hierfür einen kreativen Raum mit der HTW Berlin als Pool für anwendungsorientierte forschungsnahe Expertise auf professoraler wie studentischer Ebene und der WISTA als zentraler Schnittstelle: „Wir entwickeln mit den Unternehmen die Fragestellung, die später bearbeitet werden soll, übernehmen das passgenaue Matching zu den HTW-Fachbereichen und diese stellen die interdisziplinären Studierendenteams zusammen“, erläutert Lange. In dem auf einige Wochen beschränkten Projekt arbeiten sie als Gruppe an der Hochschule, stehen aber in engem Austausch mit dem Unternehmen und den Professoren.
Nach einem Unternehmensbesuch werden die Studierenden in der Workshop-Phase von Experten aus dem Design Thinking gecoacht, beim Brainstorming, thematischen Konzentrieren und Erweitern, Erarbeiten von Lösungsansätzen und Prototyping. Und schließlich bei der Präsentation der Ergebnisse und der Projektdokumentation. So gewinnen die Studierenden Praxiserfahrung – und werden dafür mit Credit-Punkten belohnt.
Auch für Botspot stand der Austausch mit den jungen Leuten im Vordergrund: „Für uns war es wichtig, die Kontakte zur HTW Berlin zu vertiefen, uns auch in der Ausbildung zukünftiger Fachkräfte zu engagieren und Studierende kennenzulernen, vielleicht sogar als potenzielle neue Mitarbeiter“, sagt Ostermeier. Denn das wachsende Unternehmen hat es – wie zurzeit viele andere auch – nicht leicht, gut qualifizierten Nachwuchs zu finden.
„Außerdem profitieren wir sehr von dem interdisziplinären Charakter der Innovationswerkstatt“, betont Ostermeier. Die 3D-Vermessung wird in vielen Branchen gebraucht, zur bloßen Visualisierung in Computerspielen ebenso wie bei der Präsentation neuer Sneaker eines Sportartikelherstellers, aber auch bei der Entwicklung von Autoteilen oder in der Medizin, zum Beispiel zur Hautkrebsfrüherkennung. „Durch den intensiven Austausch etwa mit Studierenden der Textiltechnik haben wir die besonderen Anforderungen dieser Branche noch besser kennengelernt und können unsere Technologie so noch passgenauer entwickeln.“
Weiterentwickeln will sich auch das Format Innovationswerkstatt Schöneweide. „Durch die Bildungsprojektförderung der Berliner Wirtschaft ist die Finanzierung für die nächsten zwei Jahre gesichert, jetzt sind wir dabei, Konzepte für die Verstetigung zu entwickeln“, berichtet Lange. Bereits jetzt sei man – dem Namen zum Trotz – offen für Unternehmen aus ganz Berlin, die thematisch zum Angebot der HTW Berlin passen. Künftig wolle man das erweitern und die Expertise weiterer Berliner Hochschulen ins Boot holen.
Von Uta Deffke für Adlershof Journal