Visionen zum Jubiläum
Adlershofer Wissenschaftler skizzieren Trends für ihr Fachgebiet
Seit dem Start 1991 wird der boomende Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof von der Wista gemanagt. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums hat unser Redakteur Paul Janositz eine Adlershofer Wissenschaftlerin und drei ihrer Kollegen um einen Blick in die Kristallkugel gebeten: Was wird sich auf ihrem Gebiet in den nächsten Jahren tun, was sind die persönlichen fachlichen Ziele?
Wärme zu Strom
Simone Raoux. EMIL, SISSY und CAT, so heißen die neuen Labore, die an BESSY II, dem Adlershofer Synchrotronring des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB), andocken. EMIL wird gerade mit ausgeklügelter Röntgenanalytik eingerichtet. „Hier können Proben synthetisiert und untersucht werden, ohne das Ultrahochvakuum unterbrechen zu müssen“, sagt Simone Raoux. Am Messplatz SISSY kommen Materialien für Photovoltaik und Thermoelektrik unter die Lupe. Der Forschung an Katalysatoren dient der Messplatz CAT.
Raoux hat nach der Promotion etwa 25 Jahre lang in den USA mit spektroskopischen und mikroskopischen Methoden gearbeitet. Seit Anfang 2014 leitet sie das HZB-Institut „Nanospektroskopie für Design und Optimierung energierelevanter Materialien“. Im September 2015 wurde sie Professorin an der Berliner Humboldt-Universität (HU).
Mit ihrem 15-köpfigen Team designt die Physikerin nanostrukturierte Systeme und Hybridmaterialien. Ein besonderer Fokus sind thermoelektrische Materialien, die Wärme in Strom verwandeln können. So lässt sich die Abwärme von Kraftwerken nutzen oder Körperwärme zum Antrieb von Herzschrittmachern. Raoux möchte nun möglichst schnell EMIL betriebsfertig machen und zudem besonders leistungsfähige thermo-elektrische Materialien herstellen.
Filme aus der Zelle
Thomas Elsässer. Als einer von drei Direktoren des Max-Born-Instituts (MBI) leitet er den Bereich „Nichtlineare Prozesse in kondensierter Materie“. „Wir interessieren uns für Strukturen, die sich verändern“, sagt der 58-jährige HU-Professor für Experimentalphysik. Phasenübergänge oder chemische Reaktionen laufen im Bereich von Femtosekunden (Millionstel einer Milliardstel Sekunde) ab. Mit optischen Methoden wie Infrarotspektroskopie und Röntgenbeugung können die MBI-Forscher bereits filmen, wie Moleküle oder Atome hin und her schwingen. Noch schneller und zwar in Attosekunden (Milliardstel einer Milliardstel Sekunde) gehen Elektronenverschiebungen vor sich.
Ein Ziel ist es, die Elektronendichte in Kristallen räumlich und zeitlich aufgelöst zu messen. Gearbeitet werde an der Entwicklung von geeigneten laserbasierten Röntgenmethoden. Elsässer hofft, diese Methoden in den nächsten Jahren auch auf biologische Prozesse ausdehnen zu können. Wie wird Energie dort gewonnen oder gespeichert? Wie wechselwirkt die Zelle mit der Umgebung? Die am MBI betriebene Kurzzeitphysik wird Antworten auf solche Fragen finden, da ist sich Elsässer sicher.
Effektiver Datenschutz
Johann-Christoph Freytag. Wie lässt sich in einer gläsernen oder „durchschaubaren“ Gesellschaft Individualität erhalten? Diese Frage treibt Informatik-Professor Johann-Christoph Freytag um. Studiert hatte der gebürtige Berliner in Hamburg, bevor er 1985 in Harvard promovierte. Seit 1994 lehrt und forscht der 62-Jährige an der HU auf dem Fachgebiet Datenbanken und Informationssysteme, das sich in letzter Zeit dank der „Big-Data-Technologie“ enorm entwickelt hat.
„Die digitalen Spuren, die wir als Individuen, Gruppe oder Organisation hinterlassen, sind so umfangreich, dass Rückschlüsse auf die Urheber in einem bisher unbekannten Maße möglich werden“, sagt Freytag. Die enorme Zunahme und der Preisverfall von Rechnerkapazitäten mache die Sammelwut oft auch ökonomisch attraktiv. Wichtig sei, dass der Nutzer die Kontrolle behalte, vor allem wenn es um sensible Bereiche wie Gesundheit oder Bewegung in der realen und virtuellen Welt gehe. Etwa durch Systeme wie „Tor“, um Daten im Netz zu anonymisieren. Man brauche mehr solcher Technologien, um Sender und Empfänger zu entkoppeln.
Angesichts dieser komplexen Problematik ist zu erwarten, dass Freytags Wunsch in Erfüllung geht, noch viele interessante Herausforderungen auf seinem Spezialgebiet „Privacy und Datenmanagement“ zu bekommen.
Recyceln mit Licht
Stefan Hecht. Für den Professor für Organische Chemie war schon als Schüler das Licht nicht nur erhellendes, sondern auch gestalterisches Medium. Auch heute als Leiter einer Arbeitsgruppe mit 30 Mitarbeitern ist Licht für ihn zentrales Werkzeug, exakt zu dosieren und gut verfügbar, um bestimmte Reaktionen zu steuern. Mit Molekülen als winzigen Bausteinen lassen sich Nanostrukturen aufbauen. „Unsere Stärke sind ambivalente Moleküle, die mit Licht in eine andere Form gebracht werden und so Prozesse steuern können“, sagt Hecht. So lassen sich etwa Transistoren und Speicherelemente bauen, die sehr flexibel und leicht sind.
Die Chemie werde, so prognostiziert der 42-Jährige, in den nächsten zehn Jahren leistungsfähigere Batterien entwickeln und die Speicherung erneuerbarer Energie entscheidend verbessern. Zudem setzt er auf nachhaltige Kunststoffe, die man, anstatt sie zu verbrennen, mit Licht recyceln kann. Es werde adaptive Materialien geben, die sich an Umgebung oder Wetter anpassen und gleichzeitig Energie gewinnen und selbstheilende Substanzen, die man zur Reparatur einfach mit eine Lampe bestrahlt. Langfristig möchte Hecht mit Licht auch „körpereigene molekulare Maschinen“, Ribosomen etwa, oder Pharmaka an- und ausschalten können.