Knotenpunkt zwischen Grundlagenforschung, Lehre und Industrie
Wie das Integrative Research Institute for the Sciences IRIS Adlershof diverse Technologie-Start-ups unterstützt
Als Festkörperphysiker beschäftigt sich Prof. Emil List-Kratochvil seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit einer Technologie, die als Zukunftsversprechen gilt: gedruckte Elektronik. Teils in Industrieprojekten, teils als Hochschulforscher und Institutsdirektor hat der Österreicher Grundlagenforschung betrieben und industrielle Anwendungen begleitet, bis er 2015 dem Ruf der Berliner Humboldt-Universität folgte – und sein Wirken in der Arbeitsgruppe für „Hybride Bauelemente” fortsetzt. Zudem leitet er am Helmholtz-Zentrum Berlin die Forschergruppe „Generative Fertigungsprozesse für Hybride Bauelemente“. Obendrein engagiert er sich im Integrative Research Institute for the Sciences IRIS Adlershof.
Die Frage, wann er angesichts der Dreifachbelastung zum Schlafen kommt, führt direkt ins Zentrum dieser Geschichte: Für List-Kratochvil sind es drei Säulen eines Handlungsfelds. Als einer von knapp 30 Professoren und Professorinnen, die IRIS Adlershof tragen, sieht er sich als Knotenpunkt zwischen Grundlagenforschung, Lehre und Industrie. Chemie, Physik und ingenieurwissenschaftliche Aspekte wirken zusammen.
Ziel sind Hybridsysteme für Optik, Elektronik und Photonik, die durch begleitende Prozessentwicklung zügig in die industrielle Anwendung gelangen sollen. Zutaten: organische und hybride Halbleiter, druckfähige leitende Tinten, Nanostrukturen und hochspezifische chemische Synthesen.
Im Adlershofer IRIS-Neubau am Windkanal, der praktisch bezugsfertig ist, bekommt diese Arbeit nun eine Heimat. Neben Forschenden und Studierenden werden dort Start-ups ein- und ausgehen. Darunter Natalia Zamoshchik, Geschäftsführerin von OrelTech GmbH, oder der INURU-Gründer Marcin Ratajczak. Beide arbeiten eng mit IRIS zusammen und sprechen wie List-Kratochvil von einer fast symbiotischen Beziehung. Denn während die Unternehmer/-innen kurze Wege zu marktfähigen Produkten und Prozessen suchen, sind die Forscher /-innen auch an Umwegen und vermeintlich gescheiterten Prozessen interessiert, um Erkenntnisse und neues Grundlagenwissen daraus abzuleiten. „Uns interessiert auch, warum ein Prozess nicht funktioniert“, erklärt der Professor. In Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten würden seine Studierenden Fragen auf den Grund gehen, für deren Klärung im unternehmerischen Alltag die zeitlichen und finanziellen Ressourcen fehlen. Auch berät er die Start-ups technologisch, während diese gern seine spezifisch qualifizierten Studierenden als Beschäftigte rekrutieren.
INURU druckt OLED-Technik, lässt Verpackungsetiketten und Magazincover leuchten und wirkt bei der Entwicklung neuartiger Batteriesysteme mit. OrelTech entwickelt leitende Tinten auf Basis ionischer Edelmetalle. Damit lassen sich in Inkjet-Druckprozessen transparente Leiterbahnen in Touchdisplays, OLEDs oder flexible Solarzellen einbringen und Schaltkreise auf zwei- und dreidimensionale Objekte drucken. Die konkreten Anwendungen der Start-ups bringen die Wissenschaftler/-innen voran, weil sie ihre Forschung auf dem Gebiet der Hybridsysteme erden und helfen, praxisrelevante Fragestellungen zu entwickeln. „Umgekehrt ist die Kooperation mit IRIS eine Riesenchance, weil wir unsere Materialien an teuren Geräten des Instituts erproben und untersuchen können, die wir uns als Start-up niemals leisten könnten“, erklärt Zamoshchik. Dabei unterstützen die Forschenden Start-ups bei der Bedienung der komplexen Technik und der Auswertung der Versuche.
Zamoshchik sieht das als perfekten Testlauf vor der Vermarktung ihrer Hightechtinten. „Um diese wertvolle Unterstützung zu bekommen, müssen wir nur die Straße überqueren“, freut sie sich. Zur Zusammenarbeit zählen auch gemeinsame Veröffentlichungen, die ebenfalls beiden Seiten nützen: Auf die Start-ups färbt der seriöse Ruf der Institute ab, während die Wissenschaftler/-innen praxisrelevante Forschung an der Speerspitze des hochinnovativen Technologiefelds dokumentieren. „Die produktive Zusammenarbeit mit dem Team von Prof. List-Kratochvil und IRIS Adlershof ist ein Standortvorteil, der uns ein weiteres Mal in unserer Entscheidung für den Umzug von Tel Aviv nach Berlin bestätigt“, erklärt sie.
Von Peter Trechow für Potenzial – Das WISTA-Magazin