Alle unter einem Dach
Startschuss für innovative Materialforschung im neuen IRIS-Forschungsbau
Bestmögliche Arbeitsbedingungen für die Spitzenforschung: Seit April 2021 ist der neue Forschungsbau des Integrative Research Institute for the Sciences IRIS Adlershof am Großen Windkanal 2 bezugsfertig. Sukzessive ziehen hier Forschungsgruppen aus Physik und Chemie der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Kooperationspartner aus außeruniversitären Forschungsinstituten ein. Ihr gemeinsames Ziel: die Entwicklung und Erforschung neuartiger hybrider Materialien.
Rund dreizehn Jahre ist es her, dass in Adlershof Wissenschaftler/-innen aus verschiedenen Disziplinen die Köpfe zusammensteckten, um ein Konzept für die Forschung der Zukunft auszutüfteln. Die Idee: Im Rahmen der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) sollte ein interdisziplinäres Forschungsinstitut für die Naturwissenschaften entstehen. „Hintergrund ist, dass es immer mehr Themen gab, bei denen die Physikerin, der Chemiker, die Mathematikerin und der Informatiker allein nicht mehr weiterkommen,“ erläutert Nikolai Puhlmann. „Für solche Forschungsvorhaben sollte ein institutioneller Rahmen geschaffen werden.“
Seit dessen Gründung im Jahr 2009 führt Puhlmann die Geschäfte des Integrative Research Institute for the Sciences (IRIS Adlershof), das zunächst „eine Art Untermieter des Instituts für Physik der HU war: zwar mit einer Adresse, einem Briefkopf und einer Homepage, aber ohne eigenes Gebäude.“ 2012 dann griffen das Land Berlin und die HU tief in die Taschen, richteten das Haus zum großen Windkanal 6 wieder her, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Institut für Physik befindet, und überließen es dem IRIS zur Nutzung. „Wir bekamen tolle Büros, wunderbare Seminar- und Meetingräume,“ erzählt Nikolai Puhlmann. „Einzig die Experimentator/-innen schauten damals in die Röhre: Für ihre Experimente brauchten sie zwingend neue Labore, eine moderne Ausrüstung auf dem neusten, technischen Stand.“
Der Wunsch ist Realität geworden: Von der Idee, zwischen die beiden Häuser am großen Windkanal ein hochmodernes Laborgebäude zu setzen, ließen sich der Bund und das Land Berlin überzeugen und unterstützen das Projekt mit insgesamt 53 Millionen Euro. 2016 senkte sich hier der erste Spaten in die Erde, Anfang dieses Jahres war es dann endlich soweit: „Der Labortrakt ist jetzt fertiggestellt, führt zwei bislang getrennte Welten – Physik und Chemie – im Laboralltag zusammen,“ freut sich Nikolai Puhlmann.
Ertrag der hier stattfindenden interdisziplinären Forschung werden neuartige hybride Materialien für verschiedene Anwendungszwecke sein – etwa der Informationstechnologie. „Hybrid bedeutet dabei, dass anorganische Halbleitermaterialien mit organischen Materialien auf einer Nanoskala zusammengebracht werden,“ erläutert der Physiker. Hintergrund ist, dass beide Stoffklassen mit Blick auf die Materialeigenschaften Vorteile und Nachteile mit sich bringen. Die Hoffnung der Forschenden: Diese Materialien in den neuen Räumlichkeiten jeweils so kombinieren zu können, dass sich deren Vorteile verbinden und Nachteile idealerweise kompensieren lassen. Mittels neuer physikalischer Effekte sollen so unter anderem die Funktionalität von Anwendungen in der Sensorik, in der Informationstechnologie und in der Energieversorgung gesteigert werden.
Als Herzstück des Gebäudes hat das IRIS-Team ein großes Verbundlabor mit einem integrierten Reinraumtrakt errichten lassen. Hier werden Arbeitsmethoden aus Physik und Chemie zusammengeführt, organische und zweidimensionale Halbleiter hergestellt und Nanoschaltungen für prototypische Bauelemente gedruckt. Darüber hinaus verfügt das neue Gebäude über hochspezialisierte Labore, in denen Analytiker/-innen die hier entwickelten, neuen Materialien auf Herz und Nieren prüfen. Ein besonderes Highlight: In einem elektromagnetisch abgeschotteten Raum mit entkoppeltem Fundament steht eines der modernsten Transmissionselektronenmikroskope der Welt.
„Es gibt aktuell weltweit nur eine Handvoll vergleichbarer Geräte, die eine solche räumliche und spektrale Auflösung erreichen,“ freut sich Benedikt Haas, der für den Betrieb des Gerätes verantwortlich ist. „Die aufwändige Vorbereitung des Raums zwecks Entkopplung des Mikroskops von Umwelteinflüssen führt dazu, dass wir das Instrument bis an seine Leistungsgrenze bringen können und selbst einzelne Atome in einem Material nicht nur abbilden, sondern auch spektroskopisch untersuchen können.“
Insgesamt schlägt der Forschungsbau nicht nur eine Brücke zwischen unterschiedlichen Disziplinen, sondern auch zwischen Theorie und Experiment, verbindet Grundlagenforschung, anwendungsorientierte Forschung und Hightechunternehmen. Da hier auch Kolleg/-innen aus Einrichtungen wie dem Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) und dem Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft Räume beziehen und in Kollaboration mit Forschenden der HU Katalyseforschung betreiben werden, stärkt der neue Forschungsbau auch die Bande zwischen Universität und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Nikolai Puhlmann resümiert: „Mit der Fertigstellung dieses Gebäudes wird für uns ein Traum wahr.“
Nora Lessing für Adlershof Journal