Marathonqualitäten gefragt
Für erfolgreiche Technologieparks braucht es mehr als eine Legislaturperiode
Technologieparkentwickler müssen vorausschauende Planer, kluge und eifrige Netzwerker sein. Sie benötigen neben dem Mut, neue Wege zu gehen, aber vor allem eines: Marathonqualitäten. Denn die Politik, meist Initiator dieser Hightechparks, ist ungeduldig. Warum die Erfolgsgeschichte des Technologieparks Adlershof ohne den langen Atem seiner Entwickler und Förderer nicht möglich geworden wäre.
„Gut Ding will Weile haben“, besagt ein altes Sprichwort. Auch wenn bei einigen aktuellen hauptstädtischen Dauerbaustellen der Geduldsfaden der Berliner zum Zerreißen gespannt ist und politische Entscheidungen oft kurzfristig getroffen werden, die Wissenschaftsstadt Adlershof mit dem Technologiepark als ihr Herzstück wurde auch nicht von einem Tag auf den anderen gebaut. Heute ist sie als wissenschaftliches und mittlerweile auch wirtschaftliches Schwergewicht aus Berlin nicht mehr wegzudenken. Der Technologiepark Adlershof, der 2015 seinen 25. Geburtstag feierte, ist der größte Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschlands, zählt zu den bedeutendsten in Europa. Ein Ort, an dem heute über 16.000 Menschen in mehr als 1.000 Unternehmen und 16 Forschungseinrichtungen arbeiten, forschen und lehren. Ein Ort mit über 6.000 Studierenden in den Fächern Physik, Mathematik, Informatik, Chemie, Geographie und Psychologie. Inzwischen auch ein attraktiver Wohnort.
Was heute wie eine nahtlose Erfolgsgeschichte anmutet, war in den Anfangsjahren ein Projekt, von dem nur wenige überzeugt waren. Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands war Adlershof eines der wichtigsten naturwissenschaftlichen Forschungszentren der DDR mit 5.500 Beschäftigten. Die Institute wurden abgewickelt. Das Gelände bot nicht gerade einen schönen Anblick. Vertreter des Senats, der Industrie- und Handelskammer, der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin und der Koordinierungs- und Abwicklungsstelle für die Institute und Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR (KAI-AdW) arbeiteten ein „10-Punkte-Programm: Zukunft für Berlin-Adlershof“ aus. Auf dessen Basis entschied der Senat Berlins 1991 den Standort zu einer „integrierten Landschaft aus Wirtschaft und Wissenschaft“ zu entwickeln. Ein Zeitrahmen von drei Jahren und rund 300 Millionen DM waren dafür kalkuliert. Diese Vorgabe entpuppte sich später als unrealistisch. Es sollte mehrere Legislaturperioden dauern und bedurfte Investitionen – öffentlich wie privat – von rund zwei Milliarden Euro, um aus einem Wackelkandidaten den Wachstumsmotor Adlershof zu machen.
Der wirtschaftliche Aufbau war mühselig. Viel Geld aus dem Europäischen Regionalfonds und der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) flossen in das Projekt, junge Technologiefirmen erhielten Fördermittel für ihren Aufbau aus dem FIT-Anschubprogramm. Wesentliche Impulse brachten die Entscheidung zur Errichtung der Synchrotronstrahlenquelle Bessy II und der Beschluss, die naturwissenschaftlichen Institute der Humboldt-Universität zu Berlin nach Adlershof zu verlagern – wogegen sich einiger Widerstand regte. Wichtig neben der Zeit, die man Adlershof für den Aufbau ließ, war auch das Vertrauen der Politik in die Manager des Technologieparks. Und in die Fachkompetenz des Aufsichtsrats, in dem Politik und Wirtschaft eine gewichtige Stimme haben. Industriegranden wie Lothar Späth, Hans Peter Stihl, Manfred Genz saßen im Kontrollgremium der WISTA-MANAGEMENT GMBH (Wista), das die Geschicke in Adlershof lenkt. Außerdem zogen und ziehen in Adlershof alle beteiligten Senatsverwaltungen gemeinsam an einen Strang. Die Politik sorgte dafür, dass das Technologieparkprojekt aus den Konjunkturzyklen der Legislaturperioden herausgehalten wurde und sich kontinuierlich entwickeln konnte.
Und heute? Brauchen wir weiterhin Geduld für den Technologiepark Adlershof oder ist das inzwischen ein Selbstläufer? Roland Sillmann, seit einem Jahr Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Wista spricht von einer neuen Phase, in der der Standort angekommen ist. Der Aufbau der Infrastruktur ist weitgehend abgeschlossen. Der Ort ist für Investoren attraktiv, die Bilanz des Firmen- und Beschäftigungszuwachses hervorragend. „Jetzt konzentrieren wir uns verstärkt auf den Service, vernetzen Gründer mit Großunternehmen und Mittelständlern, wollen helfen, Innovationszyklen zu verkürzen“.
Parallel fließen viel Kraft und Zeit in den Aufbau weiterer Berliner Zukunftsorte. Dazu gehören das Technologie- und Gründungszentrum FUBIC („Business and Innovation Center next to Freie Universität Berlin Campus“) in Dahlem, die Flächen nahe der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Schöneweide und „Berlin TXL. The Urban Tech Rebublic“, die nach Schließung des Flughafens Tegel auf dessen Gelände entstehen soll. „Hier erhoffen wir uns von der Politik das gleiche Vertrauen und die gleiche Unterstützung, die uns auch in Adlershof entgegengebracht wurden“, sagt Sillmann.
Von Sylvia Nitschke für Adlershof Journal