Spukhafte Materialisation im Zwielicht
Neues Verfahren der Adlershofer xolo GmbH revolutioniert den 3D-Druck
Die junge Adlershofer xolo GmbH geht mit einem völlig neuen 3D-Druckverfahren an den Start. Ihre Xolographie basiert auf Molekülen, die unter dem Einfluss von Licht zweier Wellenlängen zu präzisen Bauteilen fusionieren. Das Team entwickelt sowohl die Hardware als auch die benötigten Materialien.
Von den Seiten des gläsernen Bauraums her teilt eine hauchdünne Wand aus violettem Licht die darin ruhende, zähflüssige Masse. Es entstammt zwei Diodenlasern, deren Wellenlänge von 405 Nanometern spezielle Moleküle im farblosen Harz anregt – sogenannte Dual-Colour Photoinitiators (DCPIs). Der violette Lichtvorhang wird nun zur Leinwand für eine besondere Filmvorführung: Ein Projektor wirft von vorn im Zeitraffer tausende Schnitte eines Bauteils auf die kontinuierlich nach vorne wandernde Lichtwand. Dahinter zeichnen sich Konturen in der farblosen Masse ab. Nach fünf Minuten ist der Spuk vorbei. Wo sich die Lichtwellen des Projektors und die UV-Wellen der Laser kreuzten, ist das Harz zu einem Präzisionsbauteil fusioniert. Noch ist es elastisch. Bei Bedarf lässt es sich später mit UV-Licht so härten, dass ihm selbst Hammerschläge nichts anhaben können.
Xolographie nennt sich das rasend schnelle 3D-Druckverfahren. „Weil die Bauteile während des kontinuierlichen lichtbasierten Bauprozesses Halt in der viskosen Masse finden, bedarf es keiner Stützstrukturen. Die aufwendige Nachbearbeitung anderer 3D-Druckverfahren, um stufige Oberflächen zu glätten und Stützstrukturen zu entfernen, entfällt“, erklärt Martin Regehly, der das neuartige Verfahren mit seinem Schulfreund Stefan Hecht entwickelt hat. Zwei bekannte Adlershofer Köpfe, die es über erfolgreiche „Jugend forscht“-Wettbewerbe, Firmengründungen, Promotionen und Habilitationen zu eigenen Professuren in Aachen und Brandenburg gebracht haben. Sie sind in den letzten 30 Jahren fast im Gleichschritt mit dem Zukunftsort Adlershof erwachsen geworden – und es ist kein Zufall, dass die Xolographie ihre Heimat in der Adlershofer Volmerstraße gefunden hat.
Hier leitet Geschäftsführer Dirk Radzinski das mittlerweile zehnköpfige Team der xolo GmbH. Auch er ist in Adlershof verwurzelt, war Initiator und Leiter der Humboldt Innovation GmbH und hat am Standort zahlreiche Gründungsprojekte begleitet. Wiederholt hat er in Start-ups mitgemischt. „Wir verdanken es ihm und seinem außergewöhnlichen Netzwerk, dass xolo trotz aller pandemiebedingten Einschränkungen mit einer stabilen Finanzierung und einem starken interdisziplinären Team starten konnte“, sagt Hecht. Radzinski regelt die Geschäfte. Die beiden Naturwissenschaftler unterstützen das Team im Hintergrund. Regehly steuert Know-how zur Lösung aller optischen Herausforderungen bei; Hecht sein Wissen aus der organischen Chemie sowie geballte Forschungserfahrung auf dem Gebiet funktionaler Materialien. Denn neben 3D-Druckern entwickelt xolo ein breites Angebot an geeigneten Photoinitiatoren.
Einsatzgebiete für die Xolographie fallen den Wissenschaftlern reihenweise ein. „Weil die Polymerisation der UV-härtenden Moleküle mit Auflösungen im Mikrometerbereich erfolgt und wir einen sehr homogenen Materialaufbau erreichen, ist das Verfahren für die Fertigung optischer Komponenten prädestiniert“, sagt Regehly. Etwa Freiformlinsen, Mikrooptiken oder miniaturisierte optomechanische Systeme. Im biomedizinischen Bereich eigne es sich für die Fertigung von Mikrofluidik-Systemen oder Pumpen mit innen liegenden beweglichen Teilen sowie zum Druck von Gewebe und Implantaten. Hecht schwebt beispielsweise vor, flexible Gitterstrukturen zu drucken, die als Wachstumshilfe für regenerierende Knorpel in Gelenke von Patienten eingesetzt werden.
Zunächst gilt es aber, das Verfahren weiter zu perfektionieren und neue biokompatible und wasserlösliche DCPIs zu entwickeln. Mit stärkeren Lasern und Projektoren möchte das xolo-Team die schon jetzt beachtlichen Aufbauraten von bis zu 55 Kubikmillimetern pro Sekunde weiter steigern. Bauraumbegrenzungen sieht Regehly nur in der Breite, da die Laser ihren hauchdünnen Lichtvorhang absorptionsbedingt nicht unbegrenzt tief in das honigartige Baumaterial werfen können. „Dagegen ist es durchaus denkbar, in einem kontinuierlichen Durchflussprozess endlos zu drucken oder durch gezielte Materialzugabe 3D-Schaltungen, mehrfarbige Bauteile oder Materialkomposite zu realisieren.“ Ideen – das wird im Gespräch klar – werden diesem Duo nicht ausgehen. Es sind Köpfe wie sie, die den Baustoff für weitere 30 Jahre am Zukunftsort Adlershof liefern.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal