Waschmaschine im Anflug
Dritter DLR-Satellit für Waldbrandfrüherkennung ist noch kleiner mit gleichzeitig höherer Nutzlast
Noch ist BIROS nicht sehr hoch gekommen: Bald soll er in 500 Kilometern Höhe um die Erde kreisen, jetzt aber liegt er gerade einmal 50 Zentimeter über dem Boden auf einem Rollwagen. Zwei Männer in grünen Kitteln, mit weißen Hauben auf dem Kopf und Schuhüberziehern an den Füßen, inspizieren den Satelliten. „Kleine Satelliten sind etwa so groß wie ein Trabi, größere gleichen einem VW-Bus. Aber das, was wir hier bauen, ähnelt eher einer Waschmaschine“, sagt Thomas Terzibaschian. Der 55 Jahre alte Physiker vom DLR-Institut für optische Sensorsysteme in Berlin-Adlershof ist verantwortlich für das Firebird-Satellitensystem, das hier entsteht. Effizient, flexibel und kostengünstig soll das Ergebnis sein, deshalb ist der geplante Satellit so klein.
Hinter dem Projekt Firebird steht eine simple Idee: Waldbrände in abgelegenen Gegenden Sibiriens, Australiens oder Brasiliens lassen sich am besten aus dem Weltall aufspüren. Ihre effizientere Bekämpfung ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz, schließlich verursachen Brände weltweit fast ein Drittel aller schädlichen CO2-Emissionen. Kleinsatelliten wie den BIROS gibt es erst seit Mitte der 90er Jahre. Schon bei der Entwicklung der ersten Prototypen waren Terzibaschian und seine Kollegen dabei: Von 1997 an planten sie einen ersten Testsatelliten zur Feuerbeobachtung. BIRD hieß er und wurde 2001 ins All geschickt. 2012 startete TET 1 („Technologie Erprobungsträger 1“), im kommenden Jahr ist BIROS an der Reihe, der Satellit, der momentan noch bei Terzibaschian und seinen Kollegen im Vakuum-Reinraum ihres Labors steht.
Für die Konstruktion bedienten sich die Wissenschaftler von Anfang an einer Basisplattform aus Aluminium, wie es im Flugzeugbau verwendet wird. Das Herzstück des Satelliten hat etwa die Dimensionen eines größeren Nachttischs. Zwei ausfaltbare Elemente, die an Schranktüren erinnern, sind mit Sonnenkollektoren bestückt und liefern den Strom. Etwa 60 Kilogramm wiegt dieses Basismodul; bislang ist es den Forschern jedes Mal gelungen, die Nutzlast zu steigern, die es transportieren kann: „Bei BIRD waren es noch 30 Kilo, bei TET 60 und jetzt bei BIROS sogar 70 Kilo“, sagt Thomas Terzibaschian. Die Technik immer weiter zu verbessern, immer präziser für den Einsatz zu optimieren, das ist der Ehrgeiz seines Teams: „Wir sind schließlich Technikwissenschaftler!“
Wolfgang Bärwald hält schon die Folterinstrumente für Biros bereit
Seit 2011 sind die Adlershofer mit dem Satelliten BIROS beschäftigt, der zusammen mit TET 1 künftig das System Firebird bilden soll. Wolfgang Bärwald, 61, kümmert sich als Systemingenieur und Elektroniker um die Technik des Satelliten, der unter anderem eine Wärmebildkamera an Bord hat. Die Anforderungen beim Bau sind alles andere als einfach: „Wir brauchen thermale und mechanische Stabilität, Strom, sichere Datenspeicherung, wir müssen die Daten zur Erde bekommen, die Kamera wie gewünscht ausrichten und den Satelliten richtig orientieren können – etwa weg von der Sonne“, sagt Bärwald.
Wenn BIROS auf einer Trägerrakete ins All befördert wird, hat er deshalb bereits die Hölle hinter sich – oder besser gesagt: Seine Doppelgänger mussten sie überstehen. Wolfgang Bärwald hält in seinem Labor reichlich Folterinstrumente bereit, die am Boden weitgehend die Bedingungen des Weltraums simulieren sollen. In einer riesigen Stahltonne etwa lassen sich Teile von BIROS auf minus 180 °C herunterkühlen. „Im tiefen Weltraum, ohne Sonne, sinken die Temperaturen auf bis zu minus 273 °C, aber wir fliegen auf einer erdnäheren Bahn, dort herrschen minus 80 °C im Schatten und plus 100 °C in der Sonne, das ändert sich in Zyklen von anderthalb Stunden.“ Einen Aufenthalt in der Unterdruckkammer muss der Satellitenaufbau ebenso überstehen wie Vibrationstests, denn je nach genutzter Trägerrakete kommt es beim Start zu mehr oder weniger großen Erschütterungen, „die russischen Raketen sind am unruhigsten“, sagt Bärwald. Qualifikationsmuster nennen die Wissenschaftler die Modelle des geplanten Erdtrabanten, die in der Folterkammer geprüft werden. „Das sind fast fertige Satelliten, die wir dann in Labor-Simulationen kaputtspielen“, sagt Wolfgang Bärwald. „Die Tests und die Abnahme aller einzelnen Bestandteile sind wie ein großes Puzzle und dauern ein paar Wochen. Erst wenn alles zur Zufriedenheit erprobt wurde, wird das endgültige Design des Satelliten freigegeben.“ Etwa zehn Jahre, so ist die Planung, soll der Satellit dann in den unwirtlichen Bedingungen im Einsatz sein.
Der Etat für den Bau von BIROS sowie den künftigen Parallelbetrieb mit TET 1 beträgt rund 15 Millionen Euro, finanziert aus Forschungsmitteln des Bundes und des DLR. „Das gibt immer ein Hauen und Stechen um die Finanztöpfe, auch zwischen den DLR-Instituten untereinander“, sagt Firebird- Projektleiter Thomas Terzibaschian. Dabei gibt es klare Vorgaben, was mit den Investitionen erreicht werden soll: Es geht um technische Herausforderungen, die sinnvoll und gesellschaftlich lohnend sein sollen. „Wir wollen Vorreiter sein bei der Entwicklung von Geräten an der Grenze des technisch Machbaren; unsere Erfahrungen lassen wir danach der Industrie zur Verwertung zukommen.“
Es sind etliche spannende Details, die den Entwicklern in der Konstruktionsphase einfallen: etwa die unscheinbaren Mini-Düsen, die einem Schraubenkopf ähneln und aus dessen Auslassöffnung gasförmiger Stickstoff strömen kann. „Damit können wir die Geschwindigkeit des Satelliten ändern, ein Ausweichmanöver einleiten oder ihn von der Trägerrakete wegmanövrieren“, sagt Wolfgang Bärwald. Alle wichtigen Teile sind mehrfach an Bord, falls etwas kaputt gehen sollte: Vom Bordcomputer, den ein Fraunhofer-Institut geliefert hat, gibt es gleich vier Exemplare, und die Nickel-Wasserstoff-Batterien, die die Energie aus den Sonnenkollektoren für den Betrieb außerhalb der Sonneneinstrahlung speichert, sind gleich achtmal dabei. Sogar 24 Lagen stark ist die silberne und außen goldbedampfte Isolationsfolie, die im Innern für eine Temperatur von konstanten 15 bis 20 °C sorgt und Sonnenhitze ebenso abhält wie Kälte.
Manchmal allerdings verblüfft BIROS auch mit pfiffiger Einfachheit: Die Antenne eines Messgeräts zum Beispiel besteht schlicht aus einem handelsüblichen, 40 Zentimeter langen Maßband. „Damit schickt und empfängt der Bordcomputer SMS-Nachrichten“, sagt Wolfgang Bärwald und streicht fast zärtlich über die glatte Oberfläche. „Für uns ist nicht wichtig, dass ein Gerät schön ist – robust muss es sein!“
Von Andreas Spaeth, Quelle: Helmholtz-Gemeinschaft
Weitere Informationen:
Dipl.-Phys. Thomas Terzibaschian
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Optische Sensorsysteme, Informationsverarbeitung optischer Systeme
Berlin-Adlershof
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