„Eine wunderbare Landschaft für Azubis”
Das Bildungsnetzwerk Hochtechnologie kümmert sich intensiv um den begehrten nichtakademischen Nachwuchs
Fachkräftemangel ist derzeit ein Riesenthema in Deutschland. Stark betroffen ist die Mikroelektronik, die Halbleiterchips für vielfältige Anwendungen – von Computern bis Airbag-Sensoren – entwickelt und herstellt. In Reinräumen werden dazu Löcher in Kristallscheiben geätzt, Kontakte angebracht oder Oberflächen beschichtet. Die Mikroelektronik bietet attraktive Tätigkeiten mit sehr guten Aussichten für Fachkräfte.
„Ein Studium ist nicht unbedingt notwendig, um Erfolg in einem spannenden Beruf zu haben“, sagt Uta Voigt, Koordinatorin des Aus- und Weiterbildungsnetzwerks Hochtechnologie (ANH Berlin), das am Ferdinand-Braun-Institut gGmbH, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) in Adlershof angesiedelt ist. Doch bei der Berufswahl geht der Trend aktuell eher in die akademische Richtung. Aus demographischen Gründen gibt es sowieso weniger Nachwuchs als in früheren Jahren. Zudem gehen viele Fachkräfte derzeit in den Ruhestand. „Während sich früher die Schülerinnen und Schüler bei den Unternehmen beworben haben, bewerben sich die Unternehmen heute bei den Jugendlichen.“
„Um den Nachwuchs muss immer mehr gerungen werden“, sagt Professor Günther Tränkle, FBH-Direktor seit 1996 und Professor für Mikrowellentechnik und Optoelektronik an der Technischen Universität Berlin. Als besonders wichtig für das vor 30 Jahren gegründete Leibniz-Institut nennt der Physiker die duale Ausbildung in der Mikrotechnologie. „Wir waren von Anfang an dabei, als dieser Beruf 1998 aus der Taufe gehoben wurde.“ Die komplexe Ausbildung könnten aber vor allem kleine Industriebetriebe zum Teil allein nicht anbieten, Forschungseinrichtungen dagegen sehr gut. Daher sei die Bildung eines Netzwerks sinnvoll gewesen. „Es war die Idee meines Teams, die ich sehr unterstützt habe“, sagt der gebürtige Schwabe.
2007 wurde das Netzwerk ANH Berlin am FBH ins Leben gerufen. Die mittlerweile vier Mitarbeiterinnen kümmern sich auch selbst um die Finanzierung. Diese kommt vor allem über Fördergelder vom Bund und dem Land Berlin, über europäische Projekte oder von der Industrie- und Handelskammer zu Berlin. ANH Berlin vernetzt Unternehmen, Forschungseinrichtungen, berufliche Schulen, Universitäten, Sozialpartner und andere Multiplikatoren. 2019 entstand der Verein proANH e. V., der seine 23 Mitglieder bei der Gewinnung von Auszubildenden sowie in der Aus- und Weiterbildung unterstützt. Dazu dienen auch verschiedene Veranstaltungen, in denen die Mikrotechnologie Jugendlichen, Eltern, Lehrkräften oder beispielsweise auch Berufsberater*innen der Agentur für Arbeit als Berufsfeld nahegebracht wird.
„Wir informieren über hochwertige duale Ausbildungsgänge sowie über sehr gute Möglichkeiten zur Weiterbildung“, sagt Voigt. Die diplomierte Nordeuropa-Wissenschaftlerin, die schon länger im Bereich beruflicher Bildung aktiv ist, findet gerade diesen Hightechbereich enorm wichtig. Die Verankerung im FBH mit seiner Weltspitzenforschung sieht sie sehr positiv. Dort werde in Sachen Mikrotechnologie nicht nur intensiv geforscht, sondern auch fundiert ausgebildet. „Unser Direktor Professor Tränkle hat ein besonderes Bewusstsein für das Thema Fachkräfte und Nachwuchsgewinnung, und wir haben ein optimales Klima für unsere Arbeit“, freut sich Voigt. Um jungen Leuten Berufsorientierung in der Mikrotechnologie zu bieten, sei das FBH mit seinen Laboren und Reinräumen, mit den darin wirkenden Azubis und Wissenschaftler:innen, einfach „eine wunderbare Landschaft“. Darüber hinaus biete der Standort Adlershof mit vielen innovativen Unternehmen und Forschungseinrichtungen gute Bedingungen fürs Berufsmarketing.
Über das ANH können sich auch einzelne Schüler:innen für Praktika bewerben, ebenso wie für Kurse im gemeinsamen Schülerlabor MicroLAB von FBH und Lise-Meitner-Berufsschule in Gropiusstadt. Interessierten Lehrkräften mit ihren Schulklassen kann bei Führungen ein Einblick in den Arbeitsalltag am FBH geboten werden. Bei speziellen Veranstaltungen, wie etwa zur Langen Nacht der Wissenschaft, können Interessierte Reinräume und Labore durchstreifen. Um vor Coronainfektionen zu schützen, wurden auch digitale Institutsführungen entwickelt. „Das läuft ganz gut, die Reichweite ist groß, aber es ist halt was anderes, wenn die Besucher:innen vor Ort sind“, sagt Voigt.
Dr. Paul Janositz für Adlershof Journal