Tatort Quantentechnologie
Warum die Zeit für den Aufbau eines Netzwerks Quantentechnologien in Berlin-Brandenburg reif ist
Ein Besuch am Ferdinand-Braun-Institut (FBH) in Berlin Adlershof weckt Assoziationen zu einem Tatort: Durch die Flure laufen Menschen mit weißen Schutzanzügen, Gäste müssen blaue Schuhüberzieher benutzen. Bloß keine Spuren hinterlassen, lautet die Devise. Hier ist höchste Reinlichkeit gefordert für die Grundlagen der Quantentechnologie (QT).
In seinen Laboren erforscht und entwickelt das Team des Ferdinand-Braun-Instituts, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik, FBH, hochpräzise Optoelektronik. Europaweit führend ist man auf dem Gebiet der Gallium-Arsenid-Diodenlaser. Sie können extrem kompakt und sehr genau für ganz unterschiedliche Wellenlängen hergestellt werden. Solche Lichtquellen basieren auf den Prinzipien der Quantenphysik und sind die Basis für viele Anwendungen in der Quantentechnologie.
Deren Spektrum ist breit gefächert: von Quantenkommunikation und Quantencomputing, wo Verschränkungseffekte von Quanten wie Lichtteilchen oder Elektronen ausgenutzt werden, um Informationen besonders sicher übertragen oder erheblich größere Datenmengen als bisher verarbeiten zu können, bis hin zu Quantensensorik oder Quantenimaging, die besonders sensible Messinstrumente oder bildgebende Verfahren ermöglichen.
„Wie zu Beginn des Internetzeitalters wissen wir heute im Grunde noch gar nicht, was alles möglich sein wird“, sagt Andreas Wicht, Leiter des Joint Lab Quantum Photonic Components am FBH. „Zumal die Quantentechnologie noch immer in den Kinderschuhen steckt. Die grundlegenden Laborexperimente, mit denen man die Machbarkeit demonstrieren konnte, sind rund 30 Jahre alt. Von einer echten Nutzung sind wir noch weit entfernt.“ Bis dahin sei laut Wicht noch eine Menge Engineering nötig, damit Entwicklern ein Baukasten aus standardisierten Quantenkomponenten zur Verfügung steht.
Daran arbeitet in Adlershof nicht nur sein Institut. Hier ist – wie in der gesamten Hauptstadtregion – ein Hotspot für Photonik und optische Technologien. So widmen sich Forschungsgruppen an der Humboldt-Universität zu Berlin ultrapräzisen Messverfahren, Quantengasen und Experimenten mit einzelnen Photonen. Letztere werden auch an der Technischen Universität Berlin untersucht. Ergänzend dazu gibt es die Theorie der Quantenoptik an der Freien Universität Berlin. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind ebenfalls aktiv, darunter das Heinrich-Hertz-Institut, das Leibniz-Institut für Kristallzüchtung und das Fraunhofer IZM. Und eine Reihe von Unternehmen, wie eagleyard Photonics, die Gallium-Arsenid-Diodenlaser kommerziell verfügbar machen, PicoQuant, die auf Einzelphotonen-Anwendungen spezialisiert sind, oder Quartiq, das spezielle Steuerungen entwickelt.
Um regionale Forschungseinrichtungen und Unternehmen zum Thema Quantentechnologie besser zu vernetzen, hat Markus Krutzik, Leiter des Joint Labs Integrated Quantum Sensors am FBH, unter dem Namen InnoQT ein Innovationsforum Mittelstand initiiert. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung werden am 2. und 3. März 2020 in Berlin eine Reihe von Workshops stattfinden. Ziel der Initiative ist es, vollständige Wertschöpfungsketten photonischer Komponenten und Systeme für QT-Anwendungen in Berlin-Brandenburg zu etablieren. „Hier existieren sehr gute Bedingungen für den Weg aus der Wissenschaft in die Industrie“, betont Andreas Wicht. „Insbesondere, weil sich über kleine und mittlere Unternehmen Innovationen besonders gut in den Markt bringen lassen.“
Noch allerdings gebe es gar keinen eigenständigen QT-Markt. Viele Unternehmen wüssten noch gar nicht, welche Vorteile die Quantentechnologie für sie haben kann. Deshalb soll das gegenseitige Kennenlernen befördert werden. Dass davon auch sein Unternehmen profitieren kann, davon ist Torsten Langer, Sales und Application Specialist von PicoQuant überzeugt: „Je mehr man sich vernetzen kann, desto besser kann man auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden und neuer Anwendungsfelder reagieren.“
Bei PicoQuant stecken die Quanten schon im Firmennamen. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Geräte wie Laser mit ultrakurzen Pulsen und Detektoren für einzelne Lichtteilchen. In den Lebenswissenschaften lassen sich damit zum Beispiel Eigenschaften von Farbstoffmolekülen bestimmen, in der Quantenoptik kann überprüft werden, ob eine Lichtquelle tatsächlich nur einzelne Photonen aussendet. Für eine solche Messaufgabe ist eine besonders sensible Zählelektronik nötig, die PicoQuant kürzlich auf der Fachmesse Photonics West in San Francisco präsentierte: Dank extrem kurzer Totzeit bei hoher zeitlicher Auflösung ist garantiert, dass möglichst wenig Photonen für den Messprozess verloren gehen.
Welche Anwendungen in der Quantensensorik möglich sind, zeigt sich – auch durch die Arbeiten des FBH – bei der Entwicklung extrem genauer und stabiler optischer Uhren. Sie basieren auf Übergängen zwischen Quantenzuständen, deren Energieunterschiede größer sind als bei herkömmlichen Atomuhren und diesen hinsichtlich der Präzision überlegen sind. Eine derart genaue Zeitmessung ermöglicht zum Beispiel die Navigation ohne GPS oder das Vermessen des Schwerefeldes der Erde. Tatort dann: die Erkundung von Lagerstätten wertvoller Rohstoffe.
Von Dr. Uta Deffke für Adlershof Journal